Mittwoch, 4. Mai 2011

Biutiful (2010, Dir: Alejandro González Iñárritu)



"Yo no me moriré... no"
Uxbal (Javier Bardem) ist nicht bereit zu sterben. Nicht einfach so. Nicht, ohne die Dinge, die ihm etwas bedeuten, vorher ins Reine zu bringen. Als todgeweihter Kleinkrimineller, der sein Geld mit illegalen Immigranten verdient, ist er bemüht seinen Kindern ein guter Vater zu sein. Die Beziehung zu seiner suchtkranken Frau Marambra (Marciel Álvarez) ist gescheitert, wobei die Liebe zwischen den beiden immer wieder aufflackert. Einen mehr als ungewöhnlichen Nebenverdienst bringt Uxbal seine Gabe, die Gedanken Verstorbener wahrzunehmen, sobald er deren Hand hält. Eine furchtbare, von ihm verschuldete Tragödie, stellt sein Gewissen auf eine außergewöhnliche Probe.
Anstatt wie bei seinen bisherigen Filmen mehrere Handlungsstränge ineinander fließen zu lassen, fokussiert sich Iñárritu dieses mal ganz auf die Geschichte seines Protagonisten. Dem Sog, den seine zwischenmenschlichen Tragödien dabei immer wieder entfachen, tut dies sicherlich keinen Abbruch. Im Gegenteil. Während der ebenfalls bemerkenswerte Vorgängerfilm "Babel" seine weltumspannende Figurenkonstellation wörtlich nahm und der Grenze des Konstruierten dabei zumindest gefährlich nahe kam, begleitet man die Figuren in "Biutiful" in ihrem überschaubaren Alltag. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Film auf die sozialen Umstände in den Problembezirken Barcelonas reduzieren lässt. Mit der Thematik illegaler Einwanderer und deren Ausbeutung liefert Iñárritus Film erneut Ansichten einer globalisierten Welt, die über die Grenzen des gezeigten Milieus weit hinausgehen. Die Komplexität des Story vereint sich somit gewissemaßen in der Geschichte Uxbals; dazu bedarf es keines Wechsels der Szenerie. Eine wertungsfreie Abwechslung zum nicht minder beeindruckenden Stil von "Amores Perros", "21 Grams" und "Babel".
Die obligatorischen körnigen Handkamera-Bilder, gepaart mit dem "dreckigen" Schnitt von Iñárritus Werken, sorgen für eine Form der Authentizität, wie sie wohl nur wenige Filmemacher erreichen. Der hervorragende Cast tut sein Übriges. Zu Javier Bardems Können muss man eigentlich kein Wort mehr verlieren. Mit der standesgemäß oscarnominierten Rolle des Uxbal untermauert er seinen Status als einer der besten Schauspieler unserer Zeit. Was sich in seinem Gesicht an Nuancen abspielt, ist das Eintrittsgeld schon wert. Maricel Álvarez als Uxbals Frau und die ebenfalls tollen Performances der Kinder Ana (Hanaa Bouchaib) und Mateo (Guillermo Estrella) stehen dem in nichts nach.
Die Tatsache, dass "Biutiful" ein paar Längen aufweist ist sicherlich Jammern auf hohem Niveau. Die dramaturgischen Durchhänger, die ich dabei stellenweise verspürt habe, machen den Film für mich jedoch zu keinem ganz großen Meisterwerk.
Was trotzdem bleibt, ist ein ergreifendes Drama um väterliche Verantwortung, Moral und Schuld sowie die Frage, wie man diese Welt verlassen möchte. Ein Film, der mit Sicherheit nachwirkt.
Text: Gordon Cole