Sonntag, 19. Juni 2011

Unter Kontrolle (2011, Dir: Volker Sattel)


In das Universum Volker Sattels einzudringen ist nicht gerade einfach. So assoziativ und metaphorisch sind seine Bilder auf den ersten Blick, so prägnant und konkret auf den zweiten. Bezeichnend, dass Sattel vor ein paar Jahren ein Remake von Walter Ruttmanns ‘‘Berlin – Symphonie einer Großstadt‘‘ drehte. Genauso symphonisch könnte man auch ‘‘Unter Kontrolle‘‘ bezeichnen: die dokumentarische 35mm-Symphonie einer überholten Technik, eines ausgeträumten Traums, einer unfreiwillig komischen Welt.
Wo einst Burgen standen thront nun das Atomkraftwerk über der Kleinstadt und scheint alles unter seiner Kontrolle zu haben. Gerade in solchen unscheinbaren Momenten werde ich das Gefühl nicht los gerade den realsten und bedrohlichsten Science-Fiction-Film, den es je gab gesehen zu haben. Sattel spielt hier mit szenischen Elementen – bei einer langsamen Dollyfahrt auf einem Bürogang erwarte ich hinter jeder Ecke die Shining-Zwillinge oder zumindest eine Welle Blut, die in Zeitlupe aus dem Aufzug stürzt. Und da liegt eine der Stärken des Films – er schafft ein unsichtbares drittes Bild zwischen der Schnittstelle, dass ich nur in meinem Kopf wahrnehme, ich werde dank der wunderbaren Montage permanent gezwungen zu assoziieren. Kommentarlos und im statischen und wunderschön fotografierten Cinemascope zeigt er die Alltags-Absurditäten der verschiedenen deutschen und österreichischen AKWs, eine nerdige Männergesellschaft in Bademänteln wie aus einem Roy Andersson Film, ausgediente 70er-Jahre Technik, die blinkt und piept, einen bizarren Freizeitpark mit Kettenkarussel im stillgelegten Atom-Meiler und verschafft einen nie dagewesenen (und wohl auch den letzten) und längst fälligen Einblick in den absurden Kosmos Kernkraftwerk.

Text: Windom Earle