Dienstag, 29. Januar 2013

A torinói ló (2011, Dir: Béla Tarr)


Vorsichtiges Öffnen von Wasserflaschen und Rascheln des Feuilletons - genauso konsequent anachronistisch wie die Filme selbst ist auch die Publikumserfahrung. 
"The Turin Horse" bildet einen wunderbaren Schlusspunkt zu Tarrs aussergewöhnlichem Oeuvre. Die meditative Beobachtung der conditio humana als zentraler Dreh- und Angelpunkt, inszeniert als triste Zeitschleifen wie Daueranschläge in Moll. So minimalistisch wie noch nie zuvor stellt er uns vor ein s/w Diorama des täglichen Lebens bar jeglicher Information die dem Zuschauer sonst so aufgesetzt einen Zugang zu den Figuren ermöglichen - in der Methodik schon beinahe bindend nahe an avantgardistischen Leistungen wie Chantal Akerman's "Jeanne Dielman, 23 Quai du Commerce, 1080 Bruxelles". 
Wie gewohnt komplementiert die eindrucksvolle Cinematographie den kargen Inhalt hin zur formellen Perfektion und oftmals wird einem die Genialität der Kompositionen erst nach Minuten von zeitlupenartigen Dollybewegungen und Zooms bewusst. 
Tarr löst sein Kino von jeglichen Störfaktoren, streift alles überflüssige ab und verlässt sich vollkommen auf die puristisch-ursprüngliche Kraft seiner Inszenierung. Über dies spannt er stets eine inhärente Dramaturgie und verfällt nie auf die rein formularisch experimentelle Seite des Schaffens. Jenes Entgegenwirken sämtlicher Konditionierung des modernen Publikums macht ihn sicherlich zu einem gewissen Grad zum Filmemacher des Filmkritikers aber in seiner Perfektion gleichzeitig auch zu einem der 2-3 bedeutendsten und hoffentlich stilprägendsten Regisseuren der Gegenwart. 

Text: FredFuchs