Sonntag, 19. Februar 2012

Captive (2012, Dir: Brillante Mendoza)


Krasses Ding. 
Brillante Mendozas Anti-Unterhaltungsfilm ist ein wahnsinnig intensiv inszeniertes, dokumentarisch schilderndes, auf wahren Ereignissen beruhendes Geiseldrama, welches von seiner fantastischen HD-Bebilderung und seinem authentischen Schauspiel lebt. Die Kamera ist im ständigen Wechsel mal kraftvoll entfesselt, mal streng beherrscht, eine Meisterleistung bei mit Sicherheit zermürbenden Drehs mitten im philippinischen Dschungel. 
Das Ensemble aus größtenteils Laiendarstellern, philippinischen Schauspielern und der Grande Dame Isabelle Huppert leistet durchweg überzeugende Arbeit, Höhepunkte sicherlich ihr Monolog in die Kameralinse einer Reporterin sowie die Szene gegen Ende mit Hamed, dem 12jährigen Dschihad-Krieger. Intensiver geht's nicht. 
Die dargestellte Ambivalenz der Geiselnehmer weiß ebenfalls zu überzeugen, sie wirkt zu keiner Zeit aufgesetzt oder konstruiert, sondern macht den Terror und die Determiniertheit ihrer Aktionen noch unfassbarer und erschreckender.
Sicherlich keine leichte Kost, kein Film der Spaß macht, aber in jedem Fall eine brillant vorgetragene Geschichtsstunde, der man auch so manch kleinere Längen gerne verzeiht. 

Text: Le Samourai
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Einen spannenden Geiselthriller zu inszenieren ist bestimmt schwer, ein tiefgründiges Geiseldrama zu schaffen wohl noch schwerer, beides zu kombinieren könnte man als "verdammt schwer" bezeichnen. CAPTIVE jedenfalls versucht sich an letzterem und scheitert auf ganzer Linie. 
Geldgier unter dem Deckmantel des Dschihad, die physischen und psychischen Leiden in monatelanger Geiselhaft, Kritik am Versagen der Behörden: viele Fässer will Regisseur Mendoza aufmachen, aber irgendwie sind alle leer. Wie man ein so komplexes Thema derart mit dem Holzhammer bearbeiten kann, ist für mich unverständlich. Nie gibt es eine echte tiefere Auseinandersetzung mit den Wurzeln von religiösem Fanatismus, globalen Vorurteilen oder den diversen Dynamiken, die sich innerhalb einer solchen Gruppe abspielen. Aber Moment! Ich höre und lese es schon: "Der Regisseur deutet nur an. Er wertet nicht. Er überlässt die Auseinandersetzung dem Zuschauer." Das kann man natürlich machen und es kann auch funktionieren. In diesem Fall jedoch werden verschiedene Blickwinkel einfach plakativ und uninspiriert hintereinander weg erzählt. Das ist weder zurückhaltend noch intelligent, das ist einfach oberflächlich, in jeder Hinsicht langweilig und in keinster Weise berührend. Und am schlimmsten: es geht weit unter der Messlatte hindurch, die sich Mendoza selbst viel zu hoch legt. 
Zwischendurch werden die Geiselnehmer zu so guten Menschen, dass selbst das Dschungelcamp mehr Konfliktpotenzial bietet. Aber das löchrige Blatt wendet sich hier sehr schnell und schwupps! - zeigen uns die Krieger wieder allerhand Klischees von Osamas phrasendreschenden Jüngern. Allahu Akbar. Die Gruppe ihrerseits bewegt sich von hier nach da, wird in den standesgemäß wackeligen und unscharfen Handkamerabildern in Counterstrike-Optik angegriffen, einige verletzten sich, sie gehen weiter. Animierte Hornissen, Ameisen und anderes Getier komplettieren diesen zähen und (filmisch) völlig wahllosen Trip. 
Isabelle Huppert, die ich zu meinen Lieblingsschauspielerinnen zähle, ist auf verlorenem Posten. Bei so manchen Dialogzeilen ("Do you like Chocolate?") wirkt sogar sie wie die Laiendarsteller, die sie großenteils umgeben. Ganz selten dringt ihr Können durch, beispielsweise in Form eines Monologs, den sie in die Kamera der Geiselnehmer spricht. Generell wird jedoch keine Figur näher beleuchtet, alle wirken wie Pappkameraden. Sie kämpfen, leiden, schöpfen Hoffnung, weinen, lachen, sterben und man weiß, dass das alles schlimm ist. Wenn man sich aber dabei ertappt (und auch die Kollegen um einen herum), dass einem das irgendwann nicht nur egal ist, sondern dass man es auch unglaubhaft und lächerlich findet, dann ist echt was schief gelaufen. 
Ich bitte von einigen zynischen Stellen meines Textes abzusehen, aber sie sind nur das Resultat meiner Enttäuschung und des Gefühls der Zeitverschwendung. Filmfestivals sind Wundertüten. Aber das Gute ist, dass es nach CAPTIVE eigentlich nur besser werden kann. 

Text: Gordon Cole