Sonntag, 30. Oktober 2011

Melancholia (2011, Dir: Lars von Trier)


In 2 Kapitel unterteilt behandelt von Triers neuestes Werk MELANCHOLIA nicht mehr und nicht weniger als den Weltuntergang. Um sich danach voll und ganz seinen beiden Hauptfiguren zu widmen, lässt er direkt zu Beginn den Planeten Melancholia in wunderschönen Extremzeitlupen mit der Erde kollidieren. Ob es nun Zufall ist, dass in Malicks TREE OF LIFE Anfang des Jahres genau das Gegenteil, nämlich die Entstehung der Erde, in ähnlich intensiven Bildern zelebriert wurde, oder ob von Trier so dem Kinojahr 2011 seinen apokalyptischen Stempel aufdrücken wollte, wird unbeantwortet bleiben.
-----SPOILER-------
Anders als die meisten Untergangs-Filme vermeidet der Däne im Folgenden die Standard-Kulisse Großstadt und entführt den Zuschauer stattdessen auf ein majestätisches Grundstück umringt von prächtigster Natur. In einem großzügigen Herrenhaus feiern Justine (Kirsten Dunst) und Michael (Alexander Skarsgård) ihre Hochzeit mit Freunden und Familie. Die zu Beginn scheinbar unbeschwerte Justine offenbart im Laufe der Feierlichkeiten mehr und mehr ihre seelischen Abgründe, die in einer tiefen Depression begründet liegen. Ihre Schwester Claire (Charlotte Gainsbourg) ist unterdessen stets darauf bedacht die pompöse Feier nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, was vor allem ihre manipulative Mutter aber immer wieder gekonnt torpediert.
Nach dem Geschlechtsverkehr mit einem wahllosen Party-Gast offenbart Justine ihrem Gatten, dass die beiden keine Zukunft haben, woraufhin er abreißt. Als auch ihr Vater sich von ihr abwendet und die Feier verlässt, scheint sie die Depression endgültig zu übermannen.
Kapitel 2 nimmt seinen Anfang am darauf folgenden Morgen und beschäftigt sich hauptsächlich mit Claire. Die fürsorgliche Schwester kümmert sich aufrichtig um die nun scheinbar manisch depressive Justine. Die schon am Vorabend gemachte Entdeckung, dass der Planet Melancholia wohlmöglich auf Kollisionskurs mit der Erde steht, tut Claires Ehemann John (Kiefer Sutherland) mit akademisch-elitärer Arroganz zwar zu Beginn noch ab, begeht er kurz vor dem großen Finale in tödlicher Gewissheit aber doch Selbstmord und überlässt seine Frau und Kind samt Justine dem unausweichlichen Schicksal.
Mit der wachsenden Bedrohung des immer näher kommenden Planeten kehrt sich Justines Depression immer mehr in eine Art Vorfreude auf Erlösung um und gipfelt schließlich in einem freudigen Grinsen im Moment des Einschlags des Planeten. Unterm Strich illustriert von Trier an den Geschwistern Justine und Claire unterschiedliche Formen dem Tod gegenüberzutreten und den Umgang mit dem auftretenden Bewusstsein der eigenen Sterblichkeit.
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MELANCHOLIA weißt nicht nur inhaltlich (2 Protagonisten, kaum Ortswechsel) sondern auch optisch deutliche Ähnlichkeiten zu von Triers Vorgänger ANTICHRIST auf. Die wunderschön, fast fotografisch ausgeleuchteten Bilder des Anwesens in Kombination mit den extremen Zeitlupen der Figuren wirken oftmals surreal und erinnern stark an Bilder aus dem Vorgängerfilm. Zudem steht auf der optischen Ebene wieder die Natur im Mittelpunkt.
Im Gesamten betrachtet ist MELANCHOLIA ein sehr sperriger Film, der mir jedoch trotzdem, oder gerade deswegen, viel Spaß gemacht hat und dessen wohl größte Stärke in dem wirklich herausragenden Schauspieler-Ensemble liegt. Neben der gewohnt starken Charlotte Gainsbourg muss aber Kirsten Dunst hervorgehoben werden, die von Anfang bis Ende in ihrer schwierigen Rolle brilliert und sich ihre Cannes-Auszeichnung allemal verdient hat.
Wie so oft wird die zweite Sichtung meine endgültige Beurteilung hervorbringen. Bis dahin: Chapeau Herr von Trier, ein toller Film! 
Text: andyewest88
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Lars von Trier lässt zu Wagners Tristan und Isolde die Welt untergehen - und kann dabei ja nur scheitern.
Nach seinem letzten Meisterwerk ANTICHRIST waren die Erwartungen natürlich entsprechend hoch, zumal MELANCHOLIA bis in die kleinste Nebenrolle wirklich hervorragend besetzt ist und von Triers größte Stärke, das Maximum aus seinen Darstellern herauszuholen, auch hier als einzig Positives erwähnt werden muss. Dass ich noch erleben darf, dass Jack Bauer in einem Lars von Trier Film eine der Hauptrollen spielt, hätte ich in meinen kühnsten Träumen nicht erwartet. Aber gute Schauspieler machen nunmal noch lange keinen guten Film.
Der Großteil von MELANCHOLIA ist schlicht langweilig, zäh wie Kaugummi und einfach nicht glaubhaft genug geschrieben/ erzählt.
Wenn man eine epische, gekonnte Exposition sehen will, schaut man besser Malicks' Meisterwerk TREE OF LIFE. Wenn man ein - intensives - Familienfest mit sich auftuenden Abgründen im Dogma95-Stil sehen will, schaut man besser Vinterbergs' FESTEN. Wenn man den Weltuntergang sehen will - Achtung, jetzt wird's polemisch - schaut man vielleicht doch besser Michael Bay.
Das Ende des von der Intention her ernsten und melancholischen Filmes hat mich sogar zum Lachen gebracht - eigentlich die Höchststrafe...
MELANCHOLIA ist weit entfernt davon, von Triers neues "Meisterwerk" zu sein. Zu groß die dramaturgischen Schwächen, zu groß die Thematik.

Text: Le Samourai