Dienstag, 19. Februar 2013

Silver Linings Playbook (2012, Dir: David O. Russell)


Sensationelles Juwel aus dem Hause Weinstein. Und das auf mehreren Ebenen. Zum einen überrascht es mich zutiefst, dass der gleiche Filmemacher, der vor zwei Jahren noch mit dem uninspirierten und überflüssigen "The Fighter" langweilte, nun eine derart frische, sympathische, eigen- und tiefsinnige Tragikomödie auf die Leinwand zaubert, dass man zwei Stunden lang vor Glück und Verzückung lachen und weinen zugleich möchte. Russells feinfühlige Inszenierung, authentische Dialoggestaltung und wunderbare Charakterzeichnung machen es unmöglich, diesen Film nicht zu mögen. 
Eine weitere Sensation ist die Besetzung und die Überraschungen, die daraus resultieren. Dass Bradley Cooper weit mehr kann als pubertierende Jungs mit "Hangover" zu beglücken, hat er ja bereits im fantastischen "Limitless" unter Beweis gestellt. Jedoch ist er mit seiner schwierigen Rolle in "Silver Linings" endgültig zu einem der interessanten und hoffnungsvollsten Darsteller unserer Zeit gereift. Eine derartige Rolle überzeugend zu verkörpern ist ein verdammt schmaler Grat - aber Cooper wandelt auf ihm mit Bravour und erstaunlicher Souveränität. Die größte Überraschung für mich ist jedoch Jennifer Lawrence. Bis jetzt nur im kolossal verunglückten "Hunger Games" gesehen und direkt wieder vergessen, hinterlässt sie mit ihrer unglaublich präsenten Performance von Wahnsinn bis Feingefühl einen wohl sehr lange bleibenden Eindruck. Die Harmonie der beiden ist wunderbar, ihre verletzten und gebrochenen Charaktere bilden eines der interessantesten und einfühlsamsten Leinwandpaare der letzten Jahre. 
Und noch etwas kaum für möglich gehaltenes ist passiert: Robert de Niro, living legend und mein Lieblingsschauspieler für alle Zeiten, kann auf seine alten Jahre endlich mal wieder voll und ganz glänzen. Als neurotischer, Football-verrückter Dad zeigt er noch mal die gesamte Palette seines Ausnahmekönnens. Wunderbar. 
So toll können Liebesdramen sein. So toll können romantische Komödien sein. "Silver Linings" ist nie zu traurig, nie zu lustig, nie zu kitschig, nie zu vorhersehbar. Er ist herzerwärmend, tiefsinnig, kurzweilig und einfach nur verdammt brillant. Einer der absoluten Jahreshöhepunkte und schon jetzt irgendwie moderner Klassiker.

Text: Le Samourai
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Mit Tanzszenen, die aller Wahrscheinlichkeit nach in Romantik enden, kann man mich in 9 von 10 Fällen jagen. "Silver Linings Playbook" ist glücklicherweise Fall 10 von 10. 
Hier passt einfach alles zusammen, kommt unaufgeregt und nicht kitschig daher und nimmt genau den Raum ein, den es braucht. Bradley Coopers Performance ist große Klasse. Jennifer Lawrence steht dem in nichts nach. Und das Einzige, was noch schärfer ist als sie selbst, sind die Dialoge. 
Eine besondere Freude ist auch Robert De Niro, der trotz der vielen Flops der letzten ca. 15 Jahre immer noch (und wohl auf ewig) mein Lieblingsschauspieler ist. Hier darf er in einigen Momenten wirklich mal wieder zeigen, was er kann. Super. 
Eine rundum gelungene Tragikomödie.

Text: Gordon Cole

Seven Psychopaths (2012, Dir: Martin McDonagh)


Da ist er endlich, der heiß erwartete zweite Spielfilm des Brügge-Genies Martin McDonagh. Kann er mit seinem meisterhaften Erstlingswerk mithalten? Natürlich nicht. Ist sein zweiter Streich trotzdem brillantes Kino? Mit Sicherheit. 
McDonagh präsentiert mit SEVEN PSYCHOPATHS eine absurd-groteske Metzeloper, erneut unterlegt mit den fantastischen Klängen des Ausnahmekomponisten Carter Burwell. 
Seine enorm lustige Gangsterkomödie ist selbstreflexiv, nimmt das Genre nach Strich und Faden auseinander und ist der lange überfällige Abgesang auf selbiges. 
Die Besetzung um Colin Farrell, Sam Rockwell, Tom Waits, Christopher Walken, Woody Harrelson und Harry Dean Stanton ist natürlich fantastisch, und jeder einzelne darf mit erneut brillant geschriebenen Dia- und Monologen glänzen. 
Definitiv ein Höhepunkt im Post-Tarantino-Gangsterfilm-Universum und - wie schon erwähnt - McDonaghs hochironische "Abrechnung" mit selbigem. Bleibt nur die Frage, was man als nächstes von ihm erwarten darf. Einen weiteren Gangsterfilm eigentlich nicht.

Text: Le Samourai

Prince Avalanche (2013, Dir: David Gordon Green)


Wunderbar unkonventionell-skurriles Buddy-Roadmovie mit so einigen magischen Momenten und hervorragenden Dialogen, einer perfekten Chemie zwischen Paul Rudd und Emile Hirsch, sowie einem äußerst stimmigen, elegischen Soundtrack von "Explosions in the Sky". 
Definitive Empfehlung!

Text: Le Samourai

Nugu-ui ttal-do anin Haewon (2013, Dir: Sang-soo Hong)


Was für ein kleiner, feiner, unaufgeregter Film (engl. Titel: "Nobody's Daughter Haewon"), voll zarter Poesie, elementaren Lebensweisheiten und wunderbarem Humor. Hong Sang-soo's lange, statische Einstellungen lassen den tollen Darstellern viel Raum zur Entfaltung und Improvisation. Für solche Filme liebe ich die Berlinale, denn ich bezweifele stark, dass man diese klitzekleine südkoreanische Produktion in nächster Zeit noch mal zu Gesicht bekommen wird.
Text: Le Samourai

The Perks of Being a Wallflower (2012, Dir: Stephen Chbosky)


Ezra Miller = Schauspielgott. 
Ansonsten wurde ich gerade vollkommen unerwartet umgehauen, aus emotionaler und auch aus handwerklicher Sicht. Mit Sicherheit einer der besten (wenn nicht DER beste) Coming-Of-Age-Film seit langer, langer Zeit, der vollkommen unprätentiös, authentisch und ehrlich Themen wie Anerkennung, Freundschaft, Liebe und Homosexualität behandelt. Erstaunlich und beachtlich, wie es Stephen Chbosky gelingt, eigentlich ausgelutschte Themen wie erste(r) Liebe/ Sex und Erwachsenwerden angenehm frisch und weitestgehend klischeefrei zu verpacken. 
Absolute Überraschung.

Text: Le Samourai

Don Jon's Addiction (2013, Dir: Joseph Gordon-Levitt)


"Real pussy is fine - but not as good as porn"
Jon muss es wissen, denn er bekommt quasi jede. Und trotzdem ist der muskulöse, gut aussehende Vorzeigechecker süchtig nach Internetpornos.
Ungewohnt prollig macht Joseph Gordon-Levitt in seinem Regiedebüt auch hier eine gute Figur. Seine White Trash-Italo-Familie steht dem in nichts nach. Spätestens jedoch nach Scarlett Johanssons Auftritt als leicht bitchig angehauchte Prinzessin mit Spießerweltbild weiß man, dass man es mit sehr überzeichneten Charakteren zu tun hat. Dieser Umstand fördert vor allem die Komik, die gut getimet und mit einigen witzigen Einfällen garniert ist. Den Film vor der eigenen Belanglosigkeit rettet die wie immer tolle Julianne Moore. Ihre Figur bringt die notwendige Tiefe in die Story. Einige Szenen zwischen ihr und Joseph Gordon-Levitt sind dabei sehr intensiv und richtig gut.
Insgesamt ist "Don Jon's Addiction" kein herausragendes, aber ein sehr sehenswertes Debüt von Joseph Gordon-Levitt. Und eines kann er sich auf die Fahne schreiben: Er hat wahrscheinlich DEN Porno-Wichsfilm der Neuzeit gedreht. :)
Text: Gordon Cole

Paradies: Liebe (2012, Dir: Ulrich Seidl)


Die besten "deutschen Filme" machen nach wie vor die Ösis. Man weiß eigentlich nie, ob man über die Absurdität lachen, über das Leben der Figuren traurig oder über das Gesamtbild verstört sein soll. Alles pass(ier)t zusammen und entwirft eine ganz eigene Realität. Nie gibt einem Seidl auch nur den kleinsten Hinweis und bleibt bedingungslos wertungsfrei. Er lässt das Leben die Arbeit machen, denn das ist schon lustig, traurig und absurd genug. Die Betonkamera liefert meisterliche Bildkompositionen des Grotesken, das man mit einer Mischung aus Mitleid und Fremdscham teilweise einfach durchstehen muss. Wenn einem der Sinn danach steht. Diese Konsequenz ist anstrengend und man muss sie nicht mögen, aber in ihrer Gesamtwirkung ist sie auch irgendwie genial.
Text: Gordon Cole

L'humanité (1999, Dir: Bruno Dumont)


Dieser Emmanuel Schotté ist schon ein Phänomen: Seine erste und einzige Rolle verdankt er wohl nicht nur Bruno Dumont, der den arbeitslosen Soldaten einfach von der Strasse wegcastete, sondern vor allem seinem intensiven Spiel, diesen unglaublichen Blicken, dieser unendlichen Melancholie, die ihm in Cannes den Preis für den besten Hauptdarsteller einbrachte und die vermutlich nicht gespielt ist, sondern einfach echt. Traurige Randnotiz: Schotté kam mit dem Erfolg nicht zurecht und trat nie wieder vor die Kamera. Grund genug diesen Film zu sehen.
Text: Windom Earle