Dienstag, 30. Oktober 2012

Letyat zhuravli (1957, Dir: Michail Kalatosow)


Michail Kalatosows Meisterwerk CRANES ARE FLYING (dt. Titel "Wenn die Kraniche ziehen") von 1957 steht für die Wiederauferstehung des russischen Kinos nach Stalins Tod 1953 und wird als wichtiger Beitrag zur sogenannten "Tauwetter-Periode" gezählt, der von Chruschtschow vorangetriebenen Entstalinisierung von Film, Kunst und Literatur.
Erzählt wird die Geschichte eines jungen russischen Liebespaares zur Zeit des deutsch-sowjetischen Krieges 1941. Er (Alexei Batalow) meldet sich freiwillig und muss an die Front, sie (Tatjana Samoilowa) bleibt in Moskau zurück, tieftraurig und zunehmend verstört von der Ungewissheit über Boris' Wohlbefinden. Speziell Samoilowas Schauspiel ist herausragend, ihre Verkörperung der gebrochenen Weronika absolut intensiv, glaubwürdig und unvergesslich.
Was den Film letztenendes zu einem zeitlosen Meisterwerk macht, ist die durchweg atemberaubende Kameraarbeit von Kalatosows "Stammkameramann" Sergei Urussewski. Wunderbar komponierte Kranfahrten und Plansequenzen wechseln sich ab mit intensiven Handkamerapassagen, die einen mitten ins schreckliche Geschehen versetzen.
Einer der eindringlichsten und ehrlichsten Antikriegsfilme aller Zeiten.

Text: Le Samourai

Masks (2011, Dir: Andreas Marschall)


Der Film, den ich seit 3 Jahren machen will.
Die deutsche Independentproduktion MASKS ist ein nicht mehr für möglich gehaltenes Lebenszeichen der deutschen Genrefilmkultur, wenngleich auch ausschließlich für Sympathisanten von Argentos, Bavas oder Martinos Giallo-Werken empfehlenswert.
Diesen dreien zollt der ambitionierte Filmemacher Andreas Marschall nämlich ausgiebig und intensivst Tribut. Seine Begeisterung für die blutrünstigen italienischen B-Thriller der goldenen 70er ist in jedem Frame spürbar. Wenngleich der Film thematisch am ehesten mit dem Horrormeisterwerk SUSPIRIA zu vergleichen ist, atmet er stilistisch durch und durch Giallo-Luft. Angefangen bei der Rolle der Frau (junge, leichtbekleidete Opfer, meistens schreiend), über den hervorragenden, Goblin Tribut zollenden Soundtrack von Sebastian Levermann, den wunderschön rot-grün-blau ausgeleuchteten Sets, bis hin zu den bis zur Schmerzgrenze stilisierten, äußerst blutigen Morden des maskierten Messerstechers.
Den tieferen Sinn der Story sowie die darstellerischen Leistungen kann man getrost vernachlässigen, aber das war bei den Meistern des Genres ja größtenteils auch nicht anders. Marschall gelingt mit MASKS eine überaus sehenswerte, liebevolle Hommage an mein persönliches Lieblingsgenre und lässt hoffen, dass das deutsche Genrekino - mit wie diesem sich von der Masse des uninspirierten Einheitsbreis abhebenden Werk - eine neue Renaissance erfährt.

Text: Le Samourai

Iron Sky (2012, Dir: Timo Vuorensola)


Bis heute dachte ich, Nazitrash der hirnrissigsten Sorte sei seit den 70ern ausgestorben. Doch zum Glück gibt es da eine wahnwitzige finnische Crew aus Filmverrückten, die ihren Traum vom modernen Mondnazifilm wahr werden ließen, mit einer filmhistorisch wohl einmaligen Finanzierung durch einerseits finnische, deutsche und australische Produktionsfirmen und Förderungen, sowie im Internet gecrowdfundeten, sehr beachtlichen 900.000 Euro.
Das Ergebnis ist beeindruckend. Ein funktionierendes, zumeist wirklich (aber)witziges Drehbuch, ein Cast, der sich durchaus sehen lassen kann (Udo Kier, Götz Otto, Julia Dietze), zufriedenstellende computergenerierte Effekte und eine fokussierte, für das Genre fast schon zu "gute" Regie/ Inszenierung.
IRON SKY ist eine absolute Independent-Erfrischung im Kinojahr 2012 und hat meine - zugegebenermaßen nicht wirklich hohen - Erwartungen deutlich übertroffen.

Text: Le Samourai

Freitag, 26. Oktober 2012

This Gun For Hire (1942, Dir: Frank Tuttle)


Furioser Film Noir aus der Anfangszeit der schwarzen Serie, der vollkommen zu Unrecht etwas in Vergessenheit geraten ist. Frank Tuttle inszeniert straight und extrem rasant, was zur Folge hat, dass er die turbulente Story um Auftragskiller, Femme Fatale, Spionage, Betrug und Erpressung in nur 80 durchweg spannenden Minuten erzählen kann.
Zugleich ist THIS GUN FOR HIRE der erste von vier Filmen, in welchen Alan Ladd und - die für mich faszinierendste Hollywoodschönheit aller Zeiten - Veronica Lake gemeinsam vor der Kamera stehen und sozusagen die LowBudget-B-Variante zum legendären "schwarzen" Traumduo Bogart/Bacall bilden.
Alan Ladds Verkörperung des Lonesome Killers Philip Raven diente wohl Jean-Pierre Melville als direkte Vorlage für seinen Alain "Le Samourai" Delon, zu offensichtlich sind einige Parallelen der beiden Figuren.
Unbedingte Empfehlung für alle Freunde der schwarzen Serie. Veronica Lake ist zum Niederknien...

Text: Le Samourai

Novecento (1976, Dir: Bernardo Bertolucci)


Schwer in Worte zu fassender, 5 Stunden andauernder epochaler Geschichts-Marathon, der mit seinen wunderbar farbenfrohen, den Jahreszeiten angepassten Bildern von Kamera-Legende Vittorio Storaro, mit seinem abwechslungsreichen, epischen Soundtrack von Ennio Morricone, mit einer bombastisch-opulente Ausstattung und nicht zuletzt mit hervorragenden Schauspielleistungen von Robert de Niro, Gerard Depardieu und allen voran Donald Sutherland (dämonisch-verrückt) auf ganzer Linie überzeugt.
Bertolucci erzählt mithilfe von zwei zur gleichen Zeit um die Jahrhundertwende geborenen Freunden (der eine als Sohn eines reichen Landeigentümers, der andere als Sohn eines armen Landarbeiters) die italienische Geschichte der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und deren direkte Auswirkung auf die unterschiedlichen Gesellschaftsschichten der beiden Freunde. Bertolucci meidet jegliche Subtilität, haut auf die Kacke, vereinfacht und polemisiert ab und an, aber schafft dennoch einen enorm wirkungs- und eindrucksvollen Einblick in Leben, Liebe und Tod vor, während und zwischen den beiden Weltkriegen.
Ein überlebensgroßes Epos. Brachial, hochinteressant und einfach wunderschön anzusehen.

Text: Le Samourai

Freitag, 19. Oktober 2012

One, Two, Three (1961, Dir: Billy Wilder)


Wow. Wilder schuf mit "One, Two, Three" die ultimative Satire über den Kalten Krieg, eine rasante, unglaublich witzige Komödie mit durchgehend perfektem Timing und einem Gag-Feuerwerk nach dem anderen. Erstaunlich, wie offen und gleichzeitig feingeistig er mit der Thematik umging, wenn man bedenkt, dass der Film mitten im Kalten Krieg kurz vor dem Mauerbau entstanden ist. Einer der schönsten Berlin-Filme überhaupt.
Jeder Dialog ist pures Gold:
Peripetchikoff: We have emergency meeting with Swiss Trade Delegation. They send us twenty car-loads of cheese. Totally unacceptable... full of holes.
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C.R. MacNamara: Just between us, Schlemmer, what did you do during the war?
Schlemmer: I was in der Untergrund: the underground.
C.R. MacNamara: Resistance fighter?
Schlemmer: No, motorman. In the underground, you know, the subway.
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Otto Ludwig Piffl: Is everybody in this world corrupt?
Peripetchikoff: I don't know everybody.
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C.R. MacNamara: Cigarette? Cigar?
Peripetchikoff: Here, take one of these.
C.R. Macnamara: Thanks. Hm, 'Made in Havana'.
Peripetchikoff: We have trade agreement with Cuba. They send us cigars, we send them rockets.
C.R. Macnamara: Good thinking.
...
C.R. MacNamara: You know something? You guys got cheated. This is a pretty crummy cigar.
Peripetchikoff: Do not worry. We send them pretty crummy rockets.
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... ... ...
Text: Le Samourai

Snowtown (2011, Dir: Justin Kurzel)


Ultraharte, unbequeme, depressive Kost aus Australien, herausragend bebildert und gespielt. Justin Kurzels Debütwerk schildert fragmentarisch die wahren Begebenheiten um den Serienkiller John Bunting, der Ende der 90er für 11 Morde schuldig gesprochen wurde. Seine Motive waren Hass auf Homosexuelle und Pädophile.
Kurzels Portrait ist die ultimative Entmystifizierung des Serienkillers, in seiner Inszenierung ähnlich karg und brutal wie John McNaughtons "Henry: Portrait of a Serial Killer", ohne aber ganz an dessen Intensität heranzukommen.
Trotzdem ein unbedingt empfehlenswertes, australisches Independent-Drama, dessen eiskalte Thematik und Umsetzung noch lange nachwirken.

Text: Le Samourai