Montag, 28. Mai 2012

J. Edgar (2011, Dir: Clint Eastwood)


Halb klinisch aufbereitete amerikanische Zeitgeschichte aus fünf Dekaden, halb subtile Liebesgeschichte: Clint Eastwood hat zurück zu alter Stärke gefunden und mit J. EDGAR ein wunderbar unaufgeregtes, unprätentiöses Biopic geschaffen, an dem es nichts zu meckern gibt. Wunderbar detailgetreu inszeniert, herrlich anzusehender Low Key Look. Eastwood nimmt sich Zeit, hektische Schnitte sucht man ebenso vergeblich wie einen 08/15-Handlungsverlauf mit sich zuspitzender Spannungskurve. Dafür bekommt man eine nüchtern aufbereitete Geschichtsstunde mit einem differenzierten, wertfreien Einblick in die wichtigsten 50 Jahre des FBI-Gründers und - Direktors J. Edgar Hoover. Leonardo di Caprio spielt absolut grandios und beweist einmal mehr, dass er zu den derzeit besten Schauspielern Hollywoods gezählt werden muss. Das Make-Up-Department leistet ebenfalls beeindruckende Arbeit, der alternde Hoover sieht wirklich verblüffend authentisch aus. 
Slightly unterbewertet - für mich unverständlich. Clint kann's noch immer! 

Text: Le Samourai

Exit Through the Gift Shop (2010, Dir: Banksy)


Endlich habe ich mir den Film, der einige meiner Kollegen in den letzten Monaten doch stark inspirierte, noch mal in Ruhe und komplett angesehen :)
EXIT THROUGH THE GIFT SHOP ist ein bunt bemaltes Überraschungsei: der Film liefert einen informativen und interessanten Blick in die Street Art Kultur, nimmt sich mit der Erschaffung der fiktiven Figur Thierry Guetta selbst auf die Schippe und verteilt gleichzeitig ironische Seitenhiebe auf all die Schaumschläger, die diese Szene zwangsläufig mit sich bringt.
Vor allem aber ist der Film in seinem doppelbödigen Doku-Mockumentary-Mix ein völlig neues und eigenständiges kreatives Werk. Das ist es auch, was letzten Endes den wahren Künstler für mich ausmacht: nicht nur auf Trendzüge aufspringen, nicht nur über Sellout meckern, sondern weitergehen. Neues erschaffen. Und das tut Banksy mit diesem Film. Dabei kann man als Zuschauer zu keinem Zeitpunkt sicher sein, ob man nicht gerade wieder voll verarscht wird. Ich persönlich finde das super. Die berühmte Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" kann ich im Falle von ETTGS eindeutig beantworten: Das ist Kunst. Das sollte bleiben.
Text: Gordon Cole

Freitag, 25. Mai 2012

Cet obscur objet du désir (1977, Dir: Luis Bunuel)


Das letzte große Werk des einflussreichsten und bedeutendsten Surrealisten der Filmgeschichte. Einmal mehr demaskiert Luis Bunuel hintersinnig schwarzhumorig und ironisch bourgeoise Verhaltensmuster und den Kampf der Geschlechter. Fernando Rey ist großartig als liebestoller, frustrierter Geschäftsmann, dessen Reichtum komplett wertlos ist im Kampf um die Gunst des Objektes der Begierde: die verführerische Angela Molina und die unterkühlte Carole Bouquet, welche die zwei "Seiten" der Weiblichkeit ebenso hervorragend mimen. 
Ein nach wie vor ebenso interessantes wie erstaunliches Meisterwerk und einer von Bunuels allerbesten Filmen.

Text: Le Samourai

The Descendants (2011, Dir: Alexander Payne)


Schon irgendwie traurig, dass der Oscar bei Grinsekatze Dujardin im Regal steht, anstatt - wohlverdienterweise - beim guten George. Exzellente Performance, eine seiner besten überhaupt, feinfühliges Script, bedächtige Inszenierung - sieben Jahre nach dem ebenso tollen SIDEWAYS gewinnt Alexander Payne erneut auf ganzer Linie.
Text: Le Samourai

Mittwoch, 23. Mai 2012

The Royal Tenenbaums (2001, Dir: Wes Anderson)


Da das beste ja bekanntlich zum Schluss kommt, habe ich mir den von Fanseite oft als "besten Anderson" betitelten ROYAL TENENBAUMS auch als krönenden Abschluss meiner Werkschau aufgehoben. Und was soll ich dazu noch groß sagen? Dass ich Anderson für den außergewöhnlichsten, eigensinnigsten Filmemacher unserer Zeit halte, dürfte ja schon bekannt sein. Dass seine Filme allesamt zu den feinfühligsten, skurrilsten, einfach schönsten zeitgenössischen Tragikomödien gehören, hat er ja jüngst mit dem fantastischen MOONRISE KNGDOM erneut bewiesen. Doch keines seiner sechs weiteren Werke ist DERART perfekt wie dieses hier. Derart tiefsinnig und voll essentieller Wahrheit, zugleich aber von bewundernswerter Leichtigkeit und Naivität. Derart kreativ, detailreich und perfektionistisch inszeniert und von einem Ensemble auf die Leinwand gebracht, welches man so noch nie gesehen hat und wohl auch nie wieder sehen wird. 
Wes Andersons Opus Magnum und einer der fünf besten Filme des neuen Jahrtausends.

Text: Le Samourai

Montag, 21. Mai 2012

Moonrise Kingdom (2012, Dir: Wes Anderson)


Wes Anderson erschafft einmal mehr (s)ein eigenes neues Genre und revolutioniert es auch direkt nach allen Regeln der Kunst. 
MOONRISE KINGDOM ist ein weiterer erstaunlicher Einblick in ein Paralleluniversum aus Lakonie, unbändiger Kreativität, Skurrilität, formvollendeter Schönheit und tiefgründiger Wahrheit und erhebt Anderson endgültig auf den Thron des außergewöhnlichsten Filmemachers unserer Zeit. 
Wer den wahnwitzigsten Cast des Jahrzehnts (Bill Murray, Edward Norton, Frances McDormand, Bruce Willis, Harvey Keitel, Tilda Swinton, Jason Schwartzman und allen voran natürlich Kara Hayward und Jared Gilman) durch Andersons Wunderland wandern sehen will, kommt um sein neuestes Meisterwerk nicht herum. 
Highlight des Jahres bis jetzt und ich bezweifele stark, dass da noch was annähernd geniales kommen wird. 

Text: Le Samourai

Freitag, 18. Mai 2012

The Girl with the Dragon Tattoo (2011, Dir: David Fincher)


Wahnsinnig guter Thriller vom Genremeister der Traumfabrik. Hollywood as good as it gets, düster (u.a. dank dem grandiosen Trent Reznor), tight geschnitten, wunderbar fotografiert, on point inszeniert, durchweg top besetzt und gespielt. In allen Belangen schlicht und einfach besser als das schwedische "Original" (und sowas sage ich nun wirklich nicht oft!), welches zwar ebenfalls überaus gelungen ist, aber im Gegensatz zu Finchers Frischzellenkur leider nur noch aussieht wie ein besserer Tatort. "Remake" ist auch definitiv der falsche Begriff für diese vollkommen eigenständige, alleine funktionierende Adaption. 
Das vierte Meisterwerk des David Fincher - nach "Seven", "Fight Club" und "The Social Network".

Text: Le Samourai

Donnerstag, 10. Mai 2012

L'uomo senza memoria (1974, Dir: Duccio Tessari)


Giallo-Perfektion Frame für Frame. "L'uomo senza memoria" (dt. Titel: "Der Mann ohne Gedächtnis") ist eine cineastische Offenbarung, ein längst vergessenes Juwel aus der goldenen Zeit des italienischen Thriller-Kinos und das perfekte Paradebeispiel, was dieses tolle Genre so besonders macht - auch für Genreneulinge. 
Duccio Tessari inszeniert bodenständig, on point, beinahe "klassisch", umwerfend stilsicher und schlicht wunderschön. Jedes Bild ist ein Traum, die Geschichte aus den Federn von Mastermind Ernesto Gastaldi intelligent, dicht, hochspannend und mit einigen giallo-typischen Twists gespickt. Die Darstellerriege ist ausnahmslos großartig, neben Luc Merenda geben sich Giallo-Veteranin Anita Strindberg und - man mag es kaum glauben - Senta Berger (grandios!) die Ehre. Letztere kann man im furiosen Finale sogar mit einer Kettensäge in den Händen bewundern. Was will man mehr? 
Ein viel zu unbekanntes Meisterwerk und definitiv einer der faszinierendsten Gialli ever made!

Text: Le Samourai

Mittwoch, 9. Mai 2012

Perfect Sense (2011, Dir: David Mackenzie)


Einfühlsam, außergewöhnlich, wunderhübsch fotografiert, toll gespielt. Hoffnungsvoll und deprimierend zugleich. Irgendwo zwischen "Blindness" und "Children of Men", aber dann doch absolut einzigartig. "Perfect Sense" ist ein sehr sehr feines leises Drama und definitiv einer der besten Liebesfilme der letzten Jahre.
Text: Le Samourai

Donnerstag, 3. Mai 2012

Il profumo della signora in nero (1974, Dir: Francesco Barilli)


"Il Profumo della signora in nero" ("The Perfume of the Lady in Black") ist eine der gigantischen Ausnahmeleistungen des europäischen Horrorfilms. 
Francesco Barilli führt virtuos Elemente aus verschiedenen Strömungen der damaligen Filmlandschaft zusammen und schafft einen psychologischen Giallo-Genrehybrid, der seinesgleichen sucht. Die Produktion spielt über die gesamte Lauflänge gekonnt mit der verzerrten Wahrnehmung der Protagonistin und hält zugleich die atmosphärische Dichte konstant auf einer Ebene, welche die meisten vergleichbaren Werke, wenn überhaupt, nur punktuell erreichen.
Die Handlung entfaltet sich und die gezeigten Realitäten werden graduell zusammenhangsloser, die ausführenden Elemente verschwinden zunehmend im Hintergrund und räumen dem schleichenden Wahnsinn bis zu den letzten haarsträubenden Minuten stückweise mehr Raum ein. Parallelen zu diversen Schöpfungen Polanskis (Rosemary's Baby, Le Locataire, Repulsion) liegen gewiss auf der Hand, aber den Film darauf zu reduzieren wäre ungemein ignorant, denn Dramaturgie und Inszenierung entwickeln eine vollkommen eigene, sehr absonderliche Sprache. Vornehmlich, da die Regie ihrer Zeit stellenweise beängstigend weit voraus ist und v.a. Schnitt und Sounddesign vereinzelt eine jüngere Produktion suggerieren lassen. In Kombination mit typischen Manierismen der goldenen Zeit des italienischen Horrors entfaltet sich so ein entrücktes, aber dennoch unverkennbar seiner Entstehungszeit verpflichtetes Kunstwerk. 
Das gesamte Design, von Sound bis zu den umwerfenden Sets & Kostümen, ist auf einem ästhetischen Niveau, das nur in dieser Zeit so entstehen konnte, aber auch dann nur ausserordentlich selten erreicht wurde. Ein extrem durchstilisierter Okkulthorror-Albtraum in umwerfendem Technicolor, der zu den brillantesten, formvollendetsten zählt die je entstanden sind, mit Sicherheit!

Text: FredFuchs