Dienstag, 28. Februar 2012

Moneyball (2011, Dir: Bennett Miller)


Hollywood von seiner besten Seite. 
Sechs Jahre nach seinem mehr als beachtlichen Debütwerk CAPOTE versucht sich Regisseur Bennett Miller erneut an einer Romanverfilmung und schlägt dabei einmal mehr genau die richtigen Töne an. Das Autorenteam um Mastermind Aaron Sorkin hat bei der Adaption der Baseballbiographie "Moneyball: The Art of Winning an Unfair Game" von Michael Lewis glänzende Arbeit geleistet. Erzählt werden die auf wahren Begebenheiten beruhenden Ereignisse um den General Manager des Baseballteams Oakland Athletics, Billy Beane, der mithilfe eines Yale-Wirtschafts-Absolventen das Team trotz enormer finanzieller Defizite, dafür mit Mathematik und neuen Denkstrukturen, in der Saison 2002 zurück auf die Siegerstraße gebracht hat. 
Auch wenn man (wie ich) keinen blassen Schimmer von der Sportart hat, ist der Film trotzdem enorm interessant, unterhaltsam und äußerst spannend. Anstatt auf Regelwerk und Spielsituationen ihr Augenmerk zu legen, konzentriert sich die Erzählung fast ausschließlich auf die Arbeit und Querellen hinter den Kulissen des Teams. 
Miller inszeniert detailgetreu, stimmig, besonnen, unaufgeregt. Cutter Christopher Tellefsen leistet exzellente Arbeit im Schnittraum, da er die tollen Bilder von Wally Pfister genial mit vorhandenem Archivmaterial kombiniert. 
An der Besetzung gibt es ebenfalls nichts zu meckern. Philip Seymour Hoffman ist sowieso immer überragend und Brad Pitt beweist in einer - für ihn eher seltenen - ernsten, authentischen Rolle einmal mehr, dass er zu den allergrößten seiner Zunft gehört. Der Oscar wäre sicherlich absolut verdient gewesen. 
Wie gesagt, MONEYBALL ist Hollywoodkino at its best, ein tolles Stück verfilmte Zeitgeschichte und wäre für mich ein berechtigterer Sieger der diesjährigen, äußerst missglückten Oscarverleihung gewesen. 

Text: Le Samourai

Point Blank (1967, Dir: John Boorman)


POINT BLANK ist so etwas wie die blutige Essenz eines Rachethrillers. Handlung: Walker (Lee Marvin) will sich an seiner Ex und deren Lover rächen, die ihn betrogen und angeschossen haben. Mehr braucht man erstmal nicht zu wissen. Die gnadenlose Suche wird in harten und düsteren Bildern serviert, im klaren 60er Jahre-Dekor, Walkers konsequente Getriebenheit musikalisch atmosphärisch untermauert. Dosierte Flashback-Montage-Sequenzen geben immer wieder Einblick in Vergangenheit und Gedankenwelt des Mannes ohne Vornamen. 
Wann immer man im Leben denkt, man wäre einigermaßen cool: schnell nochmal Lee Marvin anschauen und der Realität ins Auge sehen. Der Mann ist von seiner ganzen Aura bis hin zum Dialog, in dem er oft nur mit knappen Rückfragen antwortet, bis zur reduziertesten Coolness stilisiert. Der Prototyp des harten Loners, mit dem John Boorman Einiges zur filmgeschichtlichen Ikonographie dieser Coolness beigetragen hat. Ruhe und Unnahbarkeit, in denen immer wieder Gewalt ausbricht. So bringt man Gebrauchtwagenhändler einfach zum Reden, indem man sie in einem ihrer eigenen Autos auf Probefahrt mitnimmt und die Karre dabei wie wahnsinnig zerlegt. 
POINT BLANK ist stilistisch schon ein kleines Meisterwerk, schnörkellos, hart und - wie gesagt - einfach cool.

Text: Gordon Cole

Sonntag, 26. Februar 2012

Children of Men (2006, Dir: Alfonso Cuarón)


CHILDREN OF MEN ist (endlich) mal wieder ein Beispiel für einen perfekten Film. Der formvollendeten, bis zur Perfektion funktionierenden Einheit aus Geschichte, Inszenierung, Schauspiel, Aussageabsicht und Wirkung. 
Alfonso Cuarons düstere Dystopie ist ein unfassbares Meisterwerk, eine cineastische Grenzerfahrung, ein Film mit unglaublicher Sogwirkung und absolut einzigartig in seiner Machart. Wir erleben eine pessimistische Zukunft ohne Kinder, komplett aus der subjektiven Sicht Clive Owens, ohne viele Schnitte und fantastisch bebildert von dem derzeit wohl besten Kameramann, Emmanuel Lubezki, welcher ebenfalls für die tollen Bilder in Cuarons "Y tu mamá también" verantwortlich war. Alleine die VIERMINÜTIGE Plansequenz im vollbesetzten Auto ist dermaßen außergewöhnlich und technisch herausragend, dass hier jeder Filmpreis der Welt angebracht gewesen wäre. 
Der beste Endzeitthriller seit Alex Proyas' Debüt-Meisterwerk "Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds" und einer der eindrucksvollsten Filme überhaupt.

Text: Le Samourai

The Trip (1967, Dir: Roger Corman)



Auch wenn in "The Trip" der (filmische) Horizont des Zuschauers nicht so erweitert wird wie das Bewusstsein von Peter Fonda: als Zeitportrait der Hippie-Ära und für den Versuch, die Erfahrung LSD visuell umzusetzen, ist der Film auf jeden Fall sehenswert.
Wenn man ihn auf englisch übrigens schon gesehen hat und den Trashfaktor enorm steigern will, empfiehlt sich ausnahmsweise sogar die deutsche Fassung. Die Synchronisation, die sich an all die neuen Drogenbegriffe aus Übersee wohl erstmal gewöhnen musste, hat einige echte Perlen der Übersetzung geschaffen: "He's high on weed" = "Er ist oben vom Heu". Und (mein Favorit): "He's an acid head" = "Er ist ein Säurekopf".
Text: Gordon Cole

Sonntag, 19. Februar 2012

Captive (2012, Dir: Brillante Mendoza)


Krasses Ding. 
Brillante Mendozas Anti-Unterhaltungsfilm ist ein wahnsinnig intensiv inszeniertes, dokumentarisch schilderndes, auf wahren Ereignissen beruhendes Geiseldrama, welches von seiner fantastischen HD-Bebilderung und seinem authentischen Schauspiel lebt. Die Kamera ist im ständigen Wechsel mal kraftvoll entfesselt, mal streng beherrscht, eine Meisterleistung bei mit Sicherheit zermürbenden Drehs mitten im philippinischen Dschungel. 
Das Ensemble aus größtenteils Laiendarstellern, philippinischen Schauspielern und der Grande Dame Isabelle Huppert leistet durchweg überzeugende Arbeit, Höhepunkte sicherlich ihr Monolog in die Kameralinse einer Reporterin sowie die Szene gegen Ende mit Hamed, dem 12jährigen Dschihad-Krieger. Intensiver geht's nicht. 
Die dargestellte Ambivalenz der Geiselnehmer weiß ebenfalls zu überzeugen, sie wirkt zu keiner Zeit aufgesetzt oder konstruiert, sondern macht den Terror und die Determiniertheit ihrer Aktionen noch unfassbarer und erschreckender.
Sicherlich keine leichte Kost, kein Film der Spaß macht, aber in jedem Fall eine brillant vorgetragene Geschichtsstunde, der man auch so manch kleinere Längen gerne verzeiht. 

Text: Le Samourai
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Einen spannenden Geiselthriller zu inszenieren ist bestimmt schwer, ein tiefgründiges Geiseldrama zu schaffen wohl noch schwerer, beides zu kombinieren könnte man als "verdammt schwer" bezeichnen. CAPTIVE jedenfalls versucht sich an letzterem und scheitert auf ganzer Linie. 
Geldgier unter dem Deckmantel des Dschihad, die physischen und psychischen Leiden in monatelanger Geiselhaft, Kritik am Versagen der Behörden: viele Fässer will Regisseur Mendoza aufmachen, aber irgendwie sind alle leer. Wie man ein so komplexes Thema derart mit dem Holzhammer bearbeiten kann, ist für mich unverständlich. Nie gibt es eine echte tiefere Auseinandersetzung mit den Wurzeln von religiösem Fanatismus, globalen Vorurteilen oder den diversen Dynamiken, die sich innerhalb einer solchen Gruppe abspielen. Aber Moment! Ich höre und lese es schon: "Der Regisseur deutet nur an. Er wertet nicht. Er überlässt die Auseinandersetzung dem Zuschauer." Das kann man natürlich machen und es kann auch funktionieren. In diesem Fall jedoch werden verschiedene Blickwinkel einfach plakativ und uninspiriert hintereinander weg erzählt. Das ist weder zurückhaltend noch intelligent, das ist einfach oberflächlich, in jeder Hinsicht langweilig und in keinster Weise berührend. Und am schlimmsten: es geht weit unter der Messlatte hindurch, die sich Mendoza selbst viel zu hoch legt. 
Zwischendurch werden die Geiselnehmer zu so guten Menschen, dass selbst das Dschungelcamp mehr Konfliktpotenzial bietet. Aber das löchrige Blatt wendet sich hier sehr schnell und schwupps! - zeigen uns die Krieger wieder allerhand Klischees von Osamas phrasendreschenden Jüngern. Allahu Akbar. Die Gruppe ihrerseits bewegt sich von hier nach da, wird in den standesgemäß wackeligen und unscharfen Handkamerabildern in Counterstrike-Optik angegriffen, einige verletzten sich, sie gehen weiter. Animierte Hornissen, Ameisen und anderes Getier komplettieren diesen zähen und (filmisch) völlig wahllosen Trip. 
Isabelle Huppert, die ich zu meinen Lieblingsschauspielerinnen zähle, ist auf verlorenem Posten. Bei so manchen Dialogzeilen ("Do you like Chocolate?") wirkt sogar sie wie die Laiendarsteller, die sie großenteils umgeben. Ganz selten dringt ihr Können durch, beispielsweise in Form eines Monologs, den sie in die Kamera der Geiselnehmer spricht. Generell wird jedoch keine Figur näher beleuchtet, alle wirken wie Pappkameraden. Sie kämpfen, leiden, schöpfen Hoffnung, weinen, lachen, sterben und man weiß, dass das alles schlimm ist. Wenn man sich aber dabei ertappt (und auch die Kollegen um einen herum), dass einem das irgendwann nicht nur egal ist, sondern dass man es auch unglaubhaft und lächerlich findet, dann ist echt was schief gelaufen. 
Ich bitte von einigen zynischen Stellen meines Textes abzusehen, aber sie sind nur das Resultat meiner Enttäuschung und des Gefühls der Zeitverschwendung. Filmfestivals sind Wundertüten. Aber das Gute ist, dass es nach CAPTIVE eigentlich nur besser werden kann. 

Text: Gordon Cole

Jayne Mansfield's Car (2012, Dir: Billy Bob Thornton)


Billy Bob Thorntons Regiearbeit JAYNE MANSFIELD'S CAR ist eindrucksvoll. Er vereint große Themen wie Vergangenheitsbewältigung, Familienbeziehungen und "cultural clash" leichthändig zu einem wunderbar funktionierenden, stilecht inszenierten, durchweg spannenden und äußerst lustigen Südstaatendrama, angesiedelt 1969 zu Zeiten des Vietnamkrieges. Große Stärke des Filmes ist sicherlich sein Drehbuch mit wunderbar zynischen, teilweise äußerst grotesken Dialogen, toll vorgetragen von einem durchweg überzeugenden Ensemble. Auf britischer Seite glänzen vor allem John Hurt und Frances O'Connor, auf amerikanischer Kevin Bacon, Robert Duvall und allen voran Billy Bob himself. 
Ein unaufgeregtes kleines Meisterwerk, das es hoffentlich in die deutschen Kinos schaffen wird.

Text: Le Samourai

Tabu (2012, Dir: Miguel Gomes)


Am Anfang steht ein portugiesischer Abenteurer mit gebrochenen Herzen, der auf ein melancholisches Krokodil trifft. Ziemlich schnell ist man also in der teils absurden, aber immer poetischen Filmsprache von Miguel Gomes. 
"Tabu" ähnelt einem Überraschungsei, nur dass statt "Spannung, Spiel und Schokolade" die Attribute "Tragikomik, Liebe und Kritik" sind. Die ersten beiden Begriffe zeigen sich in den zwei völlig unterschiedlichen Hälften des Films. Im ersten Teil lernen wir drei Frauen aus der Lissaboner Vorstadt kennen. Die feine Dame Aurora, ihre schwarze Haushälterin Santa und die hilfsbereite Pilar. Die Beziehung der Frauen untereinander ist durch eine Mischung aus Verbundenheit und Einsamkeit gekennzeichnet. Alle wirken sie melancholisch, genau wie das Krokodil. Alle sind sie Außenseiterinnen im Portugal der heutigen Zeit. 
Aurora ist das Bindeglied zur zweiten Hälfte des Films. Der Rückblick auf ihr Leben als wohlhabende Plantagenbesitzerin in Afrika ist als Stummfilm inszeniert (genau wie der Titel des Films eine Hommage an F.W. Murnaus Abenteurfilm "Tabu" von 1931) und wird nur vom Voiceover ihres Liebhabers Gian Luca begleitet. An sich eine mutige Entscheidung, da viel gesprochener Text oftmals als "erzählerisch faul" bezeichnet wird. Gomes' Umgang mit Sprache besitzt jedoch eine außergewöhnliche lyrische Qualität und schafft eine zweifellos stimmige Atmosphäre. Immer wieder gleitet die schlichte und schöne Liebesgeschichte dabei in absurd wirkende Verweise auf (filmische) Epochen, beispielsweise wenn Gian Lucas Swing-Band amerikanische Songs am Pool der Plantage zum Besten gibt, während die Einheimischen - meist nur im Bildhintergrund, wenn überhaupt - für die weißen Kolonialherren schuften. 
Die beiden Teile des Films würden für sich genommen gut funktionieren, stellten ohne weitere Betrachtung aber wohl nicht mehr als einen narrativen Kniff dar. Bei einem klugen Regisseur wie Gomes kann man aber davon ausgehen, dass es nicht nur eine Verknüpfung dieser beiden Zeitebenen gibt, sondern dass diese auch noch für etwas anderes stehen. In diesem Fall ist es der kritische Blick des Filmemachers auf sein Heimatland Portugal. Auf das, was es mal war, eine der führenden Kolonialmächte der Welt. Und auf das, was es heute ist, eines von vielen verschuldeten Ländern Europas, das den Ernst der Lage womöglich noch nicht begriffen hat und längst vergangenen Zeiten nachhängt. Genau wie die alte Aurora, die mal wieder all ihr Geld im Casino verspielt hat, sich aber auf keinen Fall von ihrem Pelzmantel trennen will. Und die es immer noch gewohnt ist, von einer Schwarzen bedient zu werden. Obwohl der Regisseur damit einen bösen Unterton anschlägt, werden die Figuren nie verurteilt und bleiben alle sympathisch. Eine weitere Qualität. 
In "Tabu" steckt wesentlich mehr, als ich es unmittelbar nach der ersten Sichtung vermutet hätte. Miguel Gomes kennt das Kino in all seinen Facetten. Mit diesen Facetten spielt er, nicht nur zum Tarantinoesken Selbstzweck (was auch Spaß machen kann), sondern immer im Kontext einer komplexen Geschichte. Wenn die in Teilen auch noch humorvoll und sensibel daherkommt, dann ist das schon verdammt gutes Filmemachen.

Text: Gordon Cole

Freitag, 17. Februar 2012

Young Adult (2011, Dir: Jason Reitman)


Jason Reitman avanciert neben Wes Anderson immer mehr zu meinem liebsten zeitgenössischen Regisseur intelligenter Komödien und lakonisch-schöner Geschichten. YOUNG ADULT, wenn auch einen klitzekleinen Ticken schwächer als seine Vorgänger JUNO und UP IN THE AIR ist frech, gemein, direkt, gleichzeitig tiefgründig und traurig, immer kurzweilig und on point. Charlize Theron spielt eine ihrer mutigsten und mit Sicherheit besten Rollen als depressives Lottermädchen, welches trotz (oder gerade wegen?) ihres Jobs als Kinderbuchautorin nie wirklich gelernt hat, erwachsen zu werden. Die goldrichtige Besetzung komplettiert der geniale Patton "Spence" Oswalt, der nach MAGNOLIA einmal mehr unter Beweis stellen kann, was für ein toller Charakterdarsteller er ist. 
Text: Le Samourai

Dienstag, 14. Februar 2012

In The Belly Of A Whale (2011, Dir: Andreas Lamoth & Frederic Leitzke)


Das Dokumentarfilmdebüt der blutjungen Filmemacher Andreas Lamoth und Frederic Leitzke führt uns in die Welt der Berliner Urban Art. Im Stil einer episodenhaften Reportage angelegt, ist "In The Belly Of A Whale" (ein wunderbarer Titel und gleichzeitig der Introsong von der Band PLUS) in erster Linie eins: informativ. Diverse Künstler liefern authentische Eindrücke ihres Lebens in der Hauptstadt, zwischen kreativer Selbstverwirklichung und Kühlschrankauffüllen, in einer Szene, die mit allen Vor- und Nachteilen für die Beteiligten die Entwicklung vom Underground um Mainstream vollzogen hat. Der Film ist gut recherchiert, das Spektrum der Protagonisten ist breit angelegt. Man merkt auch, dass man es hier mit einem Herzensprojekt zu tun hat. Die Filmemacher lieben die Welt, die sie betreten. Und die Protagonisten, die das spüren, danken es mit Offenheit. 
Der Film ist aufgrund seiner Episoden abwechslungsreich und gut geschnitten. Hervorzuheben ist besonders das geschulte Auge der Regisseure für Intermedialität: die Typografien sind erfrischend, die Musikauswahl ist außergewöhnlich und außergewöhnlich gut. Genau das sind die Elemente, die dieses Thema verlangt und die in einem Film über Kunst zusammen kommen müssen - mit dem Resultat eines neuen Kunstwerks, eines Kunstwerks über Kunst(werke). 
In dieser Hinsicht ist natürlich nicht alles perfekt, denn es ist noch kein Meisterfisch vom Himmel gefallen und so gibt es auch im Bauch des Wals die ein oder andere Grete, die etwas quer steckt: der interviewlastige Film wird großenteils durch Standbilder der Werke der verschiedenen Künstler unterstützt; echte Filmaufnahmen sind verhältnsmäßig rar. Gerade aber auf Ebene der Bildästhetik wäre mehr Potenzial vorhanden, die spannenden Kontraste im Leben der Protagonisten zu etablieren. Ein zweiter Punkt ist der Übersichtscharakter, den die zahlreichen Interviews kreieren. Stellenweise erschwert er die Definition eines klaren Themenkerns. Geht es um das Leben von und mit der Kunst? Geht es um die Entwicklung der Kunst an sich? Oder doch um das Berliner Modethema Nummer 1, die leidige Gentrification? Vieles wird angerissen, vieles wiederholt sich. Hier wäre weniger evtl. mehr und eine dramaturgische Beratung sinnvoll gewesen.

Wie dem auch sei, dieser Erstling lässt aufhorchen. Mit ihrem untrüglichen Gespür für - ich nenne es mal ganz lapidar und allumfassend - "Style" haben die Filmemacher eine Basis künstlerischen Schaffens, die nicht alltäglich ist und sich vom Einheitsbrei abzuheben vermag. Eine noch strukturiertere und exaktere Fokussierung auf das Zusammenspiel von Inhalt und Form und man kann einiges erwarten. 
Fazit: Wer auch immer diese Jungs sind und was auch immer sie vorhaben: auf den Output von Editude Pictures in den nächsten Jahren darf man gespannt sein.

Text: Gordon Cole

Montag, 13. Februar 2012

Diva (1981, Dir: Jean-Jacques Beineix)


Das Debütwerk des Franzosen Jean-Jacques Beineix ist eines der schönsten, geheimnisvollsten Mysterien der Filmgeschichte. Neo-Noir, Krimi-Satire, Musical, Drama, Liebesfilm - selten wurden so viele Genre-Versatzstücke derart genial kombiniert wie in DIVA. Die Geschichte ist dabei vollkommen zweitrangig, im Vordergrund steht die style over substance-Inszenierung mit ihrer einzigartigen Cinematographie, tollen Charakteren, magischer Musik und einer Aneinanderreihung wahrhaft göttlicher Szenen. 
Ein traumhaft schönes, einzigartiges, hypnotisierendes, formvollendetes Mysterium. 

Text: Le Samourai

The Dreamers (2003, Dir: Bernardo Bertolucci)


Bertolucci in seinem Element. Eine wirklich großartige Liebeserklärung an das Kino, an die 68er-Generation von Paris und an die Liebe überhaupt, fantastisch verkörpert von Michael Pitt, Eva Green (!!!) und Louis Garrel. Tolle Filmreminiszenzen an Godard, Truffaut, Chaplin, Astaire und viele andere lassen das Cineastenherz höher schlagen (Höhepunkt: Die drei Protagonisten brechen den berühmten Louvre-Rekord aus Godards BANDE A PART, toll mit dem Original gegengeschnitten). 
Bertolucci fängt mit seiner freizügigen, lebensfrohen Inszenierung das Revoluzzer-Lebensgefühl der 68er perfekt ein und nicht selten ertappt man sich bei dem Wunsch, gerne selbst zu der Zeit gelebt zu haben.

Text: Le Samourai