Samstag, 3. Dezember 2011

The Artist (2011, Dir: Michel Hazanavicius)


Nachdem TYRANNOSAUR und DRIVE mein Kinojahr bereits binnen zwei Wochen retteten, hätte ich nicht gedacht, dass der Höhepunkt noch folgen sollte.
THE ARTIST von Michel Hazanavicius ist ein Stummfilm der Neuzeit. Schwarz-weiß, ohne gesprochenen Dialog und im Format 4:3 erzählt er die Geschichte des Stummfilmstars George Valentin, der sich ausgerechnet in die Frau verliebt, die als neuer Stern am Tonfilmhimmel eine Gefahr für seine eigene Karriere darstellt.
Jean Dujardin, der sein Talent bereits in "99 Francs" unter Beweis stellte, liefert dabei eine grandiose Vorstellung ab und schöpft die dankbaren Begebenheiten des Spiels ohne Dialog voll aus. Auch der restliche Cast ist nicht zu vernachlässigen, sei es die zauberhafte Bérénice Bejo, der väterliche James Cromwell oder der sowieso stets coole John Goodman als harter Produzent mit Herz. In diesem Film hat sogar der Hund mehr Talent als die meisten Shia LaBeoufs.
THE ARTIST ist mit moderner Technik gedreht und verpasst dem Medium Stummfilm eine wohltuende Frischzellenkur, die die technischen Unzulänglichkeiten der damaligen Zeit vergessen lässt. Kamera, Schnitt und Sound sind feinstes Handwerk. Das ironische Spiel mit der Tonebene - besonders in der Szene, in der der Tonfilm für den Protagonisten erstmals zur "Gefahr" wird - ist einfach großartig. Natürlich könnte man einwenden, dass der originäre Charme alter Stummfilme fehlt, da die Optik von THE ARTIST zu clean und perfekt ist. Das Gegenteil jedoch ist der Fall, denn der Film schafft es zu jeden Zeitpunkt, ebendiesen Charme zu konservieren und die universell verständlichen, zeitlosen Elemente des Stummfilms in die heutige Zeit zu transportieren.
Mal wieder ist man erstaunt und auch froh, dass das populäre Kino im Jahre 2011 in regelmäßigen Abständen innovative und kreative Früchte hervorbringt, in diesem Fall sogar durch die Rückbesinnung auf längst Vergangenes. Und mal wieder fragt man sich, warum vorher noch niemand auf diese genial einfache und einfach geniale Idee gekommen ist! Es ist einfach beeindruckend, wie gut THE ARTIST funktioniert, obwohl - oder gerade weil? - man diese oder ähnliche Geschichten im Kino schon zig mal gesehen und lieben gelernt hat. Genau das ist aber letzen Endes auch die große Stärke des Films: das Erzählen einer Geschichte mit so vielen Mitteln wie nötig, aber so wenigen wie möglich. Der Film ist ein Stummfilm, der sich mit dem Ausklang des Stummfilms beschäftigt, er blickt also zurück und stellt gleichzeitig die Frage nach der Notwendigkeit filmtechnischer Innovationen. Trotzdem ist THE ARTIST natürlich nicht als reaktionärer Feldzug gegen alle technische Neuerungen der Filmgeschichte zu verstehen, war die Einführung des Filmtons doch zweifellos einer der wichtigsten Meilensteine, durch den ungeahnte erzählerische Perspektiven eröffnet wurden. Über aktuelle Diskussionen wie den Sinn oder Unsinn von 3D kann man angesichts einen Films wie THE ARTIST jedoch nur schmunzeln. Zu klar ist schon jetzt, dass auch die beste 3D-Technik das Kino auf inhaltlicher Ebene nicht entscheidend voranbringen kann.
Zuviel Diskussion wird diesem Film aber nicht gerecht. Dieser Film ist zum Genießen. THE ARTIST ist eine Liebeserklärung an den Stummfilm, an das Erzählen und die Zeitlosigkeit grundlegender Emotionen. Mein Fazit ist so schlicht und klar wie der Film selbst: "The Artist" ist Kino.
Text: Gordon Cole

The Lady from Shanghai (1947, Dir: Orson Welles)


Ein weiteres Glanzstück des alten Meisters und gleichzeitig ein hervorragender, aber auch ungewöhnlicher Beitrag zur schwarzen Serie. Atmosphärisch dicht, stellenweise surreal-grotesk erzählt Welles die Hitchcock-typische Geschichte des zu Unrecht Verdächtigten, der sich nur selbst aus seiner Misere befreien kann. Welles spielt ein weiteres Mal großartig und auch Rita Hayworth überzeugt als undurchsichtige "Femme fatale" vollkommen. Die Story braucht zwar etwas Zeit um in Fahrt zu kommen, aber speziell die letzte Hälfte ist spannendes Film Noir Kino at its very best, welches im stilistisch einzigartigen, expressionistisch angehauchten Finale im Spiegelkabinett gipfelt. 
Orson Welles zeigt, wie man aus einem Groschenroman ein filmisches Denkmal für die Ewigkeit schafft. Einzigartig.

Text: Le Samourai