Donnerstag, 30. Juni 2011

Dawn of the Dead (1978, Dir: George A. Romero)


"Who the hell are they?" - "They're us, that's all."
Genre-Godfather George A. Romero liefert mit DAWN OF THE DEAD sein absolutes Meisterwerk ab und den wohl besten Zombiefilm aller Zeiten, gefolgt von seinem Regiedebüt NIGHT OF THE LIVING DEAD.
Zum einen zeichnet sich DAWN durch seine intensive, spannende Inszenierung aus, die über die vollen 140 Minuten (Long Version) zu fesseln vermag. Tom Savini - die "Sex Machine" aus FROM DUSK TILL DAWN, hier auch in einer Nebenrolle zu sehen - ist für die äußert blutigen Special Effects verantwortlich, die auch heute noch nichts für zart besaitete Gemüter sein dürften. DAWN aber auf seine reinen Splatter-Einlagen zu reduzieren, ist ein großer Fehler. Für mich ist er der vielschichtigste und intelligenteste aller Zombiefilme, da er auf eindrucksvolle Art und Weise Kritik an Gesellschaft und Konsumverhalten derselbigen übt - eine Ebene, die die breite Masse der moderneren Filme dieser Art einfach nicht erreicht.
Der fantastische Score von Goblin und Dario Argento himself komplettiert dieses herausragende Pflichtprogramm für alle Genrefans und Cineasten im Allgemeinen. Meisterwerk.

Text: Le Samourai

Des hommes et des dieux (2010, Dir: Xavier Beauvois)


Das in Cannes 2010 mit dem großen Preis der Jury ausgezeichnete Drama "Des hommes et des dieux" (dt: "Von Menschen und Göttern") des Franzosen Xavier Beauvois ist letztes Jahr irgendwie komplett an mir vorbeigegangen. Gestern hatte ich die Gelegenheit, dies in einem Berliner Freiluftkino nachzuholen - zum Glück.
Der Film, basierend auf wahren Ereignissen, erzählt die Tragödie um acht Mönche in einem algerischen Kloster, die, nach jahrelangem friedlichen Zusammenleben mit der muslimischen Bevölkerung plötzlich von fundamentalen Islamisten bedroht werden. Beauvois schildert die Ereignisse in aussagekräftigen, starken Bildern und wunderbar unaufgeregt, fast schon meditativ. Die Inszenierung lebt von ihrer erstaunlichen Intensität und Authentizität, wozu das durchgehend hervorragende Schauspielensemble ebenso einen großen Teil beiträgt.
Ein zutiefst menschliches, ungeheuer wichtiges Drama.

Text: Le Samourai

Dienstag, 28. Juni 2011

Idi i smotri (1985, Dir: Elem Klimov)


IDI I SMOTRI (dt. "Komm und sieh") ist der "beste" Antikriegsfilm aller Zeiten.
Aleksei Rodionovs entfesselte Kamera zeigt 140 Minuten lang albtraumhaft impressionistische Bilder, die sich unauslöschlich ins Gedächtnis einbrennen. Der sechzehnjährige (!!!) Aleksey Kravchenko liefert die beste schauspielerische Leistung eines Jugendlichen aller Zeiten ab. Regisseur Elem Klimov verzichtet vollkommen auf Pathos und Heldentum, sondern zeigt den Krieg endlich mal, wie er wirklich ist: Ein einziger Albtraum, bei dem es nur Opfer gibt. Keine Sieger.
Ein unfassbares Meisterwerk.

Text: Le Samourai

Montag, 27. Juni 2011

Performance (1970, Dir: Nicolas Roeg & Donald Cammell)


Unfassbares Filmjuwel von Nicolas Roeg ("Don't look now") aus dem Swinging London der späten 60er Jahre mit einem brillanten Mick Jagger in einer der Hauptrollen. Experimenteller, provokativer Schnitt, wunderbar psychedelisch-surreale Bilder und ein fantastischer Soundtrack (Ry Cooder, Mick Jagger, The Last Poets, ...) sind die Hauptzutaten dieses audiovisuellen Pilztrips. Definitiv eine der Inspirationsquellen von Tarantino, Guy Ritchie und Co...
Text: Le Samourai

Freitag, 24. Juni 2011

The King of Kong (2007, Dir: Seth Gordon)


Atemberaubende Dokumentation über die wohl liebenswürdigsten Nerds dieser Welt - Arcade Gamer. Im Grunde geht es um nichts weiteres als das Duell zweier Donkey Kong Spieler und dem ultimativen Ziel: Den Highscore im Arcade Klassiker Donkey Kong von 1981 knacken und damit ins Guinness-Buch der Rekorde zu kommen. Zum einen Billy Mitchell, dem Rekordhalter, der lebenden Legende, dem "größten Arcade Spieler aller Zeiten" und zum anderem dem "No Name" Steve Wiebe, dem Herausforderer, einem Lehrer und Familienvater.
Was sich langweilig und vielleicht nicht dokumentationswürdig anhört, entpuppt sich als eine der spannendsten, einfühlsamsten, lustigsten, magischsten und einfach besten Dokumentationen, die ich jemals gesehen habe. Tonnenweise Archivmaterial - von absurd bis rührend, charismatische Protagonisten und eine geniale Dramaturgie versprechen 80 Minuten Unterhaltung der wirklich besonderen Art. Eigentlich empfehlenswert für jedermann, für Hobbygamer und Nerds jedoch absolutes Pflichtprogramm. 

Text: Le Samourai

Donnerstag, 23. Juni 2011

5 Centimeters per Second (2007, Dir: Makoto Shinkai)


Ein Wunderwerk von Anime. 63 herzergreifend schöne, aber zu keiner Zeit kitschige, da zurückhaltende und dezente Minuten voller Liebe, Trennung, Hoffnung, Sehnsucht und Herzschmerz, erzählt mit phänomenalen Bildern, Farben, Figuren und einem wunderschönen Soundtrack.
Für mich der beste Anime der letzten Jahre, der sich vor den Werken des Altmeisters Hayao Miyazaki aber sowas von nicht zu verstecken braucht.

Text: Le Samourai

Dienstag, 21. Juni 2011

Henry: Portrait of a Serial Killer (1986, Dir: John McNaughton)


Von allen üblen Filmen, die ich bisher gesehen habe, ist HENRY der vielleicht bitterböseste, verstörendste, grauenhafteste, hoffnungsloseste.
Extrem nüchtern, dokumentarisch zeigt John McNaughton fragmentarisch Auszüge aus dem Leben des notorischen Serienmörders Henry Lee Lucas, verweigert sich dabei einer gewöhnlichen Erzählstruktur und schildert vielmehr schonungslos, in kurzen beklemmenden Episoden, den tristen Alltag und die extrem gestörte Psyche des Killers. Die Darstellung Henrys durch Michael Rooker ist grandios und absolut verstörend, die Kamera schonungslos, nüchtern, in ständiger Bewegung und teilweise sogar in der Hand des Mörders, was das Zuschauen noch unerträglicher macht.
DER definitive, weil purste Serienmörderfilm, der zwar nicht unbedingt Spaß macht, aber trotzdem gesehen werden sollte.

Text: Le Samourai

Love Exposure (2008, Dir: Shion Sono)


Wow. Wow. Wow.
LOVE EXPOSURE (
Ai no mukidashi) ist außergewöhnlich, einzigartig, überlebensgroß, anarchistisch, gewaltig, episch, rührend, spannend, witzig, herzergreifend, romantisch, schockierend, mitreißend - also eigentlich die komplette Bandbreite an filmisch darstellbaren Emotionen. Was der japanische Ausnahmeregisseur Shion Sono ("Strange Circus") hier geschaffen hat, grenzt an filmischer Perfektion und kann nur ehrfurchtsvoll bewundert werden. 
Lange vor mir hergeschoben, werde ich die vergangenen vier japanischen Stunden niemals vergessen und möchte sie auch nicht missen lassen, denn dieser kurzweilige (!) Coming-Of-Age-KungFu-Punk-Eastern-Liebesfilm fesselt von der ersten Sekunde an und zu wirklich keiner der 237 außergewöhnlichen Minuten kommt Langeweile auf. Wieso das so ist? Zum einen macht die Ich-scheiß-auf-gängige-Erzähltechnik-Konventionen-Inszenierung einfach verdammt Spaß und zeigt Sonos Leidenschaft für das Medium Film eindrucksvoll. Das Drehbuch ist zu gleichen Teilen verrückt, mutig und genial und hätte wohl besser nicht verfilmt werden können. Die handwerkliche Umsetzung ist sensationell, Kamera und Schnitt fantastisch, die Splattereinlagen verdammt gelungen. Zum anderen sind die schauspielerischen Leistungen schlichtweg grandios. Das komplette Ensemble spielt großartig und (die meist schwierigen Rollen) überzeugend, herauszuheben sind hier jedoch ganz klar Takahiro Nishijima als Yu und natürlich Hikari Mitsushima als Yoko. Ich liebe sie. Ihre größte Szene, in der sie zu Beethovens siebter Sinfonie das "Hohelied der Liebe" aus den Korintherbriefen zitiert, ist unfassbar und zählt für mich zu den eindrucksvollsten Filmszenen aller Zeiten. Überhaupt wird Beethovens Siebte (mehrfach) so genial verwendet wie zuvor nur in IRREVERSIBEL.
LOVE EXPOSURE ist ganz ganz großes japanisches Kino und sollte nicht verpasst werden... 

Text: Le Samourai

Sonntag, 19. Juni 2011

Unter Kontrolle (2011, Dir: Volker Sattel)


In das Universum Volker Sattels einzudringen ist nicht gerade einfach. So assoziativ und metaphorisch sind seine Bilder auf den ersten Blick, so prägnant und konkret auf den zweiten. Bezeichnend, dass Sattel vor ein paar Jahren ein Remake von Walter Ruttmanns ‘‘Berlin – Symphonie einer Großstadt‘‘ drehte. Genauso symphonisch könnte man auch ‘‘Unter Kontrolle‘‘ bezeichnen: die dokumentarische 35mm-Symphonie einer überholten Technik, eines ausgeträumten Traums, einer unfreiwillig komischen Welt.
Wo einst Burgen standen thront nun das Atomkraftwerk über der Kleinstadt und scheint alles unter seiner Kontrolle zu haben. Gerade in solchen unscheinbaren Momenten werde ich das Gefühl nicht los gerade den realsten und bedrohlichsten Science-Fiction-Film, den es je gab gesehen zu haben. Sattel spielt hier mit szenischen Elementen – bei einer langsamen Dollyfahrt auf einem Bürogang erwarte ich hinter jeder Ecke die Shining-Zwillinge oder zumindest eine Welle Blut, die in Zeitlupe aus dem Aufzug stürzt. Und da liegt eine der Stärken des Films – er schafft ein unsichtbares drittes Bild zwischen der Schnittstelle, dass ich nur in meinem Kopf wahrnehme, ich werde dank der wunderbaren Montage permanent gezwungen zu assoziieren. Kommentarlos und im statischen und wunderschön fotografierten Cinemascope zeigt er die Alltags-Absurditäten der verschiedenen deutschen und österreichischen AKWs, eine nerdige Männergesellschaft in Bademänteln wie aus einem Roy Andersson Film, ausgediente 70er-Jahre Technik, die blinkt und piept, einen bizarren Freizeitpark mit Kettenkarussel im stillgelegten Atom-Meiler und verschafft einen nie dagewesenen (und wohl auch den letzten) und längst fälligen Einblick in den absurden Kosmos Kernkraftwerk.

Text: Windom Earle

Dellamorte Dellamore (1994, Dir: Michele Soavi)


Der vielleicht letzte große italienische Horrorfilm beginnt als ultraschwarze Zombiekomödie, entwickelt sich aber immer mehr zur philosophisch-absurden Auseinandersetzung mit Leben und Tod und endet wunderbar surreal am (im wahrsten Sinne des Wortes) Ende der Welt, ohne Aussicht auf Rückkehr.
DELLAMORTE DELLAMORE ist ein Fest für die Augen, Kameramann Mauro Marchetti (u.a. Kameraassistenz bei "Apocalypse Now", "Novecento" und "Ultimo tango a Parigi") zaubert wunderbar kunstvoll-groteske Bilder auf die Leinwand und der kraftvollen Inszenierung Michele Soavis merkt man an, dass er von Dario Argento einiges gelernt hat (Regieassistenz bei dessen Klassikern "Opera", "Tenebre" und "Phenomena").
Für Freunde des morbid-grotesken Kinos und des italienischen Horrorfilms im Allgemeinen absolutes Pflichtprogramm.

Text: Le Samourai

Samstag, 18. Juni 2011

The Tree of Life (2011, Dir: Terrence Malick)


Die Kunstform Film muss - ähnlich wie nach Kubricks Jahrhundertfilm "2001" - neu definiert werden. Malick ist ein weiteres Mal über sich hinaus gewachsen und serviert uns einen Grenzen sprengenden zweieinhalbstündigen, zu keiner Sekunde langweiligen Train of Thought, der so atemberaubend schön fotografiert und montiert ist, wie man es zuvor schlicht noch nicht gesehen hat und vielleicht auch nie wieder sehen wird. Es gibt zur Zeit wohl keinen anderen derart poetischen und visuell stilsicheren Regisseur wie Malick, dessen Werk vielleicht erst in 50 Jahren die Würdigung bekommt, die es verdient hat. Auch hier sehe ich jetzt schon erstaunliche Parallelen zum guten Stanley. Dieser wäre im Übrigen wohl überaus stolz auf Malick gewesen, da er sein Werk geliebt hätte und gleichzeitig niemals so hätte verwirklichen können. Man kann der Jury von Cannes 2011 nur zur ihrer Entscheidung gratulieren. Ein zeitloses Ultrameisterwerk, ein Überfilm. Der TREE OF LIFE ist in der Tat überlebensgroß.
Text: Le Samourai
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„The Tree of Life“ ist zweifellos ein Kunstwerk. Terrence Malick stellt die ganz großen Fragen, Emmanuel Lubezki liefert die vollkommenen Bilder, wie sie wahrscheinlich noch nie zu sehen waren. Es ist der Versuch eines nahezu allumfassenden Films.
Was Malick in „The Thin Red Line“ in einer wohltuenden Mischung inszenierte – die Kombination von Realismus und Poesie – treibt er bei „The Tree of Life“ auf die Spitze und darüber hinaus. Es gesellen sich Philosophie und die Tragik der menschlichen Existenz dazu.
Die Vergleiche zu „2001 – A Space Odyssey“ und auch „The Fountain“ liegen somit auf der Hand. Während jedoch diese beiden, für mich gelungeneren Filme immer wieder zur Geschichte zurück finden und den Zuschauer nicht vollständig alleine lassen, verliert sich „The Tree of Life“ oftmals vollends in seinen Bildern. Das ist an sich nichts Negatives, ohne emotionalen Leitfaden jedoch verdammt riskant. Malicks traumhafte Bildsprache und seine Assoziationen florieren derart frei durch den filmischen Äther, dass man wohl schon einen ganz besonderen Moment erwischt haben muss, um von diesem Film durchweg gepackt zu sein. Den Teil des Publikums, der mit offenem Mund vor der Leinwand sitzt und aus dem Staunen nicht mehr herauskommt, beneide ich. Ehrlich und ernsthaft. Mir war es nicht vergönnt.
Die mehr als ausgiebige Evolutionssequenz kann man als das wohl aufwändigste Kamera-Showreel aller Zeiten bezeichnen. Die perfekte BBC-Naturdokumentation. Die Dinosaurier vergesse ich an dieser Stelle allerdings ganz schnell. Die habe ich mir eingebildet. Die waren nicht da. Auch die Tatsache, dass ich jetzt jedes Mal beim In-die-Sonne-gucken an Terrence Malick denken muss, soll nicht weiter erwähnt werden :)
Aber nochmal und ernsthaft: die Kameraarbeit (und nebenbei auch der Schnitt) sind einfach ganz großes Handwerk.
Trotzdem ist es das Missverhältnis von (zu vielen) glanzvollen Bildern subjektiver Wahrnehmung und (zu wenig) ergreifendem, real gezeigtem Drama, das emotional an mir vorbeiging. So wirkt die Geschichte in großen Teilen wie Beiwerk und konnte mich in letzter Konsequenz nie wirklich erreichen. Der distanzierte Vater, die engelsgleich-perfekte Mutter. Fragmente der Erinnerung und vielleicht deshalb stilisiert und verwässert. Aber dadurch gezwungenermaßen ebenso konturlos und stellenweise weit über der Grenze zum Kitsch.
Vielleicht kann man im Film einfach nicht ALLES – Liebe, Verlust, Trauer und dazu noch die Sinnfragen der Menschheit - auf höchstem Level miteinander vereinbaren. Kein Malick, kein Kubrick, niemand. Man kann aber vielleicht sagen, dass Malick es versucht und nicht geschafft hat. Alleine der Versuch ist dabei natürlich schon aller Ehren wert, muss sich aber auch an den eigenen Ansprüchen messen lassen.
Es ist ein Film, der aufgrund seiner Machart die Meinungen spalten MUSS. Denn packt er einen nicht nur visuell, sondern auch emotional, kann er in ungeahnte Höhen aufsteigen. Packt er einen nicht… tja, dann nicht.
Am Ende steht eine nichts sagende 7.0, denn die repräsentiert im Universum austauschbarer Begrifflichkeiten hierzulande ein „sehenswert“. Und der Film ist aufgrund seiner nahezu perfekten Bilder und subjektiven Erzählweise wert, gesehen zu werden. Und dennoch bleibe ich unbefriedigt zurück, denn wenn das vorherrschende Gefühl beim Abspann Erleichterung ist, kann ich leider nicht von einem überwältigenden Erlebnis sprechen. „The Tree of Life“ stirbt in Schönheit. In wundervoller, formvollendeter, teilweise unerträglich langweiliger Schönheit.
Text: Gordon Cole
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Ich werde ihn lieben - Meine Standard-Antwort, die ich mantra-artig herunterbetete in den letzten Wochen, wenn das Thema TREE OF LIFE aufkam. Irgendwann wunderte ich mich schon selbst - Woher nehme ich diese Sicherheit, dass Malicks neues Werk genau meinen Geschmack trifft? Die Kritiker in Cannes? Gespalten. Der Trailer? Wunderschön, aber irgendwie auch nichtssagend. Malicks Filmographie? Außer The Thin Red Line nichts gesehen.
Intuition? Unsinn.
Also habe ich das heutzutage beinahe unmögliche versucht: ich wollte mir das hoch gepriesene aber ebenso schwer zerrissene Epos unvoreingenommen ansehen. Und wie gerne würde ich behaupten können, dass mir dieses Kunststück gelungen ist. Aber ich weiß es nicht. Fakt ist, THE TREE OF LIFE hat mich umgehauen. Der Versuch alles nur Erdenkliche, jedes Gefühl, jede Regung, jeden Augenblick, ja sogar die Entstehung des Universums, in etwas mehr als zwei Stunden zu pressen scheint vermessen und idiotisch. Malick ist er geglückt.
In einem vermeintlich vollkommen willkürlichen Sammelsurium an Emotionen dreht sich die Handlung, wenn man das überhaupt so nennen darf, um eine im mittleren Westen der USA lebende Familie in den 50er Jahren. Fragmentarisch und scheinbar austauschbar bekommen wir das komplette Spektrum der Gefühlspalette serviert. Trotzdem wirkt THE TREE OF LIFE nie überladen oder hektisch, was in erster Linie im herausragenden Schnitt begründet liegt. Die Montage spart jedes überflüssige Wort aus und lässt der gewaltigen Bildsprache dadurch viel Raum und Zeit sich frei zu entfalten. Vor allem regt diese kunstvolle Aneinanderreihung von Bildern aber zum Nachdenken an; immer wieder habe ich mich dabei ertappt, wie ich mich an meine eigene Kindheit erinnerte und bestimmte Situationen Revue passieren ließ.
Nebenbei handelt Malick dann noch die Entstehung des Universums ab, webt diese aber so behutsam und geschickt in das Gesamtwerk ein, dass sie der Haupthandlung einen absoluten Mehrwert verschafft und die emotionalen Höhen und Tiefen der Protagonisten in einen kosmischen, allumfassenden Kontext setzt.
Alles Punkte über die sich mit Sicherheit streiten lässt und die jeder Zuschauer wohlmöglich ganz anders wahr nimmt. Worüber sich aber keinesfalls streiten lässt, ist die herausragende Fotografie. Bild für Bild für Bild - THE TREE OF LIFE ist in seiner Optik formvollendet. Punkt. Darüber brauche ich kein weiteres Wort verlieren.
So abgedroschen es sein mag, wie Kubricks 2001: A Space Odyssey ist Malicks neuestes Werk Geschmacksache und ich werde mich auf keinerlei Diskussionen über Gefallen oder Nicht-Gefallen einlassen. Das muss jeder für sich entscheiden. Auch wenn mir die Objektivität bei der ersten Sichtung vielleicht gefehlt hat, ich freue mich wahnsinnig darauf dieses Meisterwerk noch einmal, wahrscheinlich sogar zwei oder dreimal, zu sehen. Trotzdem hat sich meine erste Erwartung schon jetzt bestätigt: Ich liebe ihn.
Text: andyewest88
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Die Realisierung von "Tree of Life" ist Terence Malicks größter Coup bisher. Das Engagement von zwei der größten zeitgenössischen Hollywoodstars zur Finanzierung eines letztendlich unverschämt unkommerziellen Projekts, welches 3/4 der Zuschauer, die sich aufgrund solcher Castlisten für einen Film entscheiden, schlussendlich wahrscheinlich verärgert oder schlafend im Kinosaal zurücklässt, verdient höchsten Respekt. Es ist mit großer Genugtuung verbunden zu sehen, dass dies in der hochgradig industrialisierten Filmlandschaft abseits von Festivalkreisen und Nischenvorstellungen noch möglich ist und der Film wirkt herrlich im Kontrast zu allem, was einem sonst von Hollywood an den Kopf geworfen wird.
Malicks Inszenierung wechselt zwischen bombastisch und poetisch und verwirklicht auf formeller Seite fantastische Gegenpole für die inhaltlichen Gegenüberstellungen von Existentialismus und Spiritualität, von Wissenschaft und Religion. Einerseits die visuell erstaunliche, kraftvolle Genese, vom Urknall bis zur Doppelhelix, die den ersten Akt zu einem überwältigenden Erlebnis macht. Andererseits der Mensch als dessen Ergebnis, der Vorgarten einer Südstaatenfamilie Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Elemente sind die Hauptdarsteller, von kosmischen Gaswolken hin zu lebensspendendem Wasser und beispiellos eingesetztem natürlichen Licht, mal mehr, mal weniger im Fokus, aber stets präsent. Die Verbundenheit alles Lebens als Konzept, die Ambitionen sind kolossal.
Malick untergräbt diese Epik leider mehrfach selbst, indem er sich auf Motive und Stilmittel verlässt, die sein Werk eigentlich nicht nötig hat, um uns seine Bedeutungsschwere auf die Nase zu binden. Bilder von der Entstehung des Lebens im Universum besitzen ein so enormes Eigengewicht, dass man ohne vorsichtigen Umgang schnell die Grenze zum Kitsch überschreitet. Ein Sternennebel und eine wispernde Stimme “Where did I come from? How will I find you?” und man ist auf einmal geistig nicht mehr weit entfernt von Bildern für eine Horoskophotline im nächtlichen Kabelprogramm. Postkartenmotive von Sonnenblumen im Wind oder Werbefotografie in Penns höchstwahrscheinlich stark zusammengeschnittenen Part; diese Assoziationsanflüge berauben "Tree of Life" kurzzeitig schmerzlich einen Großteil seiner Leichtigkeit und sonst so eindrucksvollen, organischen Eleganz.
Text: FredFuchs

Dienstag, 14. Juni 2011

Street of Crocodiles (1987, Timothy & Stephen Quay)


In Filmbesprechungen werden Superlative gerne im Übermass bemüht, nichts sagende Adjektive missbraucht als Textfüller, denen die Werke selbst daraufhin kaum noch gerecht werden können. Jedoch ist die erste Assoziation, die bei dem Gedanken an das Oeuvre der Brothers Quay hervorgerufen wird: "beispiellos". Die Filme gewähren einen Einblick in Paralleluniversen, albtraumhafte Dioramen die durch das Unterbewusstsein für uns zugänglich werden.
Im Falle vom Magnum Opus "Street of Crocodiles" wird durch menschliche Spucke in einem Kinetoskop eine Parabel auf das Polen zwischen zwei Weltkriegen in Gang gesetzt. Lose basierend auf dem gleichnamigen, ebenso avantgardistischen Buch des polnischen Schriftstellers Bruno Schulz konzentriert sich der Film weniger auf Narration als auf pure visuelle Suggestion. Die animierten Welten sind stets düster und grotesk, verfallen und bizarr und werden eingefangen von einer perfekt zirkelnden, ruhelosen Kamera.
Kunstfertige Tracking Shots und Perspektivenwechsel, die geschickte Manipulation von Raum und Zeit innerhalb dieser unvergleichlichen Symbiose aus Set- und Sounddesign führt immer wieder vor Auge wie meisterhaft das Verständnis des Mediums Film bei den Regisseuren ausgeprägt ist. Nicht umsonst zählen die Arbeiten der Brothers Quay im Allgemeinen und "Street of Crocodiles" im Besonderen auch heute noch zu den bedeutendsten Beiträgen der Animationskunst und die Einflussnahme auf modernes Stop-Motion und CGI Kino ist unverkennbar.

Text: FredFuchs

Mittwoch, 8. Juni 2011

Vanishing Point (1971, Dir: Richard C. Sarafian)


Symbolträchtiger und oft zitierter Kampf für Freiheit und Selbstverwirklichung und gegen repressive Obrigkeiten, gepackt in eine einzige Verfolgungsjagd mit Hippiehochburg San Francisco als Ziel. Der Dodge Challenger ist ebenso großartig wie sein Fahrer Barry Newman und VANISHING POINT im "Car Movie Genre" mindestens so bedeutsam und wichtig wie BULLITT und TWO-LANE BLACKTOP. 
Text: Le Samourai

Donnerstag, 2. Juni 2011

I Saw The Devil (2010, Dir: Kim Jee-woon)


"Revenge is for movies."
Was filmtechnisch in regelmäßigen Abständen aus Südkorea kommt, ist einfach nur erstaunlich. I SAW THE DEVIL (Orig.: "Akmareul boatda")
, jüngstes Beispiel für den grenzenlos kreativen und eindrucksvollen Output dieses kleinen Landes, ist eine absolute Naturgewalt von Film. Brutal, gnadenlos, zugleich wunderschön fotografiert und absolut herausragend gespielt. "Old Boy" Choi Min-sik wechselt die Seite und wird vom Rachenehmenden zum Gejagten und meistert seine äußerst schwierige, weil Grenzen auslotende Rolle mit Bravour - genau wie sein Gegenpart Byung-hun Lee. Die Inszenierung grenzt an Perfektion und schwächelt zu keiner der 144 spannenden Minuten. Kim Jee-woon ("A Tale of Two Sisters") liefert einen weiteren modernen Meilenstein des südkoreanischen Kinos ab und bildet mit Park Chan-wook und Bong Joon-ho ("Mother", "Memories of Murder") ein Trio Infernale, welches sich jedes europäische Land zur Zeit nur sehnlichst herbeiwünschen kann.
Text: Le Samourai