Dienstag, 31. Mai 2011

Nicht böse sein! (2006, Dir: Wolfgang Reinke)


Berlin-Kreuzberg: Wolfgang, Dieter und Andi sind süchtig, ersterer nach der Flasche, die beiden Anderen nach der Nadel. Ein Dokumentarfilm über Drogenabhängige - nichts neues? Von wegen!
NICHT BÖSE SEIN erhebt erstaunlicherweise nie den Zeigefinger, im Gegenteil. Die Filmemacher inszenieren deutlich im Sinne der drei Protagonisten und geben so dem drogenabhängigen Versager aus der Nachbarschaft ein Gesicht, eine Stimme und ein Leben.
Der Großteil des Films spielt sich in der Bruchbude Wolfgangs ab. Schonungslos beobachtet die Kamera die drei Freunde bei jedem neuen Schuss, bei jeder neuen Flasche, bei jeder Streiterei und hält den tristen und traurigen Alltag fest.
Trotzdem sympathisieren wir mit den drei Anti-Helden dieser No-Budget Produktion, die einerseits tiefes Mitgefühl und Trauer hervorruft, aber gleichzeitig mit einer riesigen Portion Charme und Einfühlsamkeit angereichert ist. So hofft der Zuschauer bei jeder hitzigen und oftmals überraschend tiefgründigen Diskussion über Recht und Unrecht (Wolfgang: „Strafe muss sein, sonst geht es nicht!“), Liebe oder den Tod, dass sich die drei Freunde doch wieder vertragen und sich in ihrer elenden Sucht zumindest gegenseitig Halt geben. Denn die Berliner sind sich ihrer krassen Situation in vollem Maße bewusst, geben aber gleichzeitig frustriert und resignierend zu, ihrem Alltag nicht entrinnen zu können.
Neben der einfachen Abbildung der Drogenabhängigkeit geht NICHT BÖSE SEIN aber auch auf Ursachenforschung und zeigt z.B. Wolfgang intim in Erinnerungen an seine verkorkste Kindheit schwelgend oder Andi treffend analysieren: „Kein Mensch lebt doch gern alleine, aber so zu leben ist auch scheiße!“
Wissenswert: Regisseur Wolfgang Reinke kannte die drei Protagonisten seiner Dokumentation, die 2008 mit dem deutschen Schnittpreis ausgezeichnet wurde, schon lange vorher; sie waren seine Nachbarn. So wird klar, wo diese allgegenwärtige Intimität herrührt, und wertet die enorme zwischenmenschliche Leistung der beiden Filmemacher Reinke/Olivares noch mal auf.
Nur mit privaten Spenden und ihrem eigenen Arbeitslosengeld finanzierten die Freunde ihr Herzensprojekt und wurden erst vor der Post-Produktion mit ein wenig Filmförderung unterstützt. Aus Sicht aller unabhängiger Filmemacher in Deutschland kann ich nur hoffen in Zukunft häufiger von derartigen Projekten zu hören...vielleicht hat der deutsche Film dann ja doch noch eine ernstzunehmende Zukunft.

Text: andyewest88

Mittwoch, 18. Mai 2011

Senna (2010, Dir: Asif Kapadia)


Welche bessere Form könnte es geben das Leben und Wirken eines der größten Sportler aller Zeiten für nachkommende Generationen festzuhalten als die filmische? SENNA ist eine intensive Dokumentation, die sich weniger mit dem Privatleben seiner Titelfigur, als mit dem sportlichen Werdegang auseinandersetzt.
Regisseur Asif Kapadia nutzt die andauernde Rivalität zwischen Ayrton Senna und Alain Prost als Aufhänger um Sennas außergewöhnlichen, von Erfolgsgedanken durchsetzten Charakter abzubilden. Immer wieder, bildlich als auch wörtlich gesprochen, rasselten die einstigen Team-Kollegen aneinander, und pushten sich so zu sportlichen Glanzleistungen der Extra-Klasse. Das Archiv-Material ist ein absoluter Traum, und lässt wehmütig an Formel-1-Zeiten denken, in denen die talentiertesten Fahrer und nicht die Teams mit der besten Strategie die Rennen gewannen.
Die Filmemacher müssen sich durch unvorstellbare Mengen TV-Archiv-Material gekämpft haben; eine Arbeit die sich auf ganzer Linie bezahlt gemacht hat: Durch die Möglichkeit zwischen mehreren Bildern unterschiedlicher Sender ein und der selben Szene zu alternieren, bekommt die Montage fast schon spielfilmartigen Charakter und hebt sich so klar von üblichen Dokumentationen ab.
In regelmäßigen Abständen erhebt der Film in tödlicher Gewissheit der Geschichte Sennas den Zeigefinger und verdeutlicht dem Zuschauer die dauerhaft anwesende Gefahr, welcher die Motorsportler ausgesetzt sind und erzeugt so eine atmosphärische Dichte, die unweigerlich auf das tragische Ende hinführt. Der perfekt abgestimmte Soundtrack fügt sich nahtlos ein und verschmilzt häufig mit dem Jaulen der Motoren zu einem traurigen Abgesang auf das Rennfahrer-Idol.
Sennas letzte Runde vor dem Unfall lässt uns der Regisseur aus der atemberaubenden Cockpit-Perspektive ungeschnitten miterleben und schlachtet den dramaturgischen Höhepunkt des Films danach keineswegs aus. Nur einmal sehen wir den Crash und wenige Bilder des leblosen Körpers dieses Ausnahme-Sportlers, danach neigt sich der Film dem Ende zu und schließt endgültig mit der Stimme Sennas, die uns ein letztes Mal seine außerordentliche Leidenschaft für diesen Sport schildert...

Text: andyewest88

Dienstag, 17. Mai 2011

Låt den rätte komma in (2008, Dir: Tomas Alfredson)


Oskar ist ein Außenseiter. In der Schule gehänselt, fantasiert er zu Hause von Rache an seinen Peinigern. Schon bald freundet er sich mit einem Mädchen aus seiner Nachbarschaft an, Eli. Die wachsende Beziehung zwischen den Beiden bildet den Kern der Roman-Verfilmung und verleiht Oskar das Selbstvertrauen sich den Schurken seiner Schule zu stellen. Behutsam öffnet Regisseur Tomas Alfredson ein Kapitel nach dem nächsten, so dass sich diese verkappte Liebes-Geschichte wie von selbst voranträgt und nie gezwungen oder aufgesetzt daher kommt. Hand in Hand geht die hervorragende Dramaturgie mit der grandiosen Photographie - da können wir Deutsche uns noch einiges abgucken!
LET THE RIGHT ONE IN ist schlichtweg ein herausragender Film, den ich jedem Liebhaber des ambitionierten Kinos wärmstens ans Herz legen muss!

Text: andyewest88
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Ein Juwel von Film.
Sein anspruchsvolles, einzigartiges Drehbuch, die ruhige, besonnene, aber zu jeder Zeit wirkungsvolle Kameraarbeit, fantastische Darsteller und ein subtiler, stimmiger Score machen LET THE RIGHT ONE IN zu einem außergewöhnlichen Filmerlebnis.
Die Schweden können es. Und sie können es komischerweise viel viel besser als die Deutschen.
Und vor dem US-Remake grauts mir jetzt schon...

Text: Le Samourai

Days of Heaven (1978, Dir: Terrence Malick)


Was Terrence Malick hier 1978 auf die Leinwand gezaubert hat, ist schlichtweg atemberaubend und wahrhaftig große Filmkunst. Mehr als "nur" ein intensives Südstaatenmelodram, entpuppt sich DAYS OF HEAVEN als bildgewaltige, wunderbar fotografierte und hochpoetische Film-Ballade über eine zum Scheitern verurteilte Dreiecksbeziehung. Jede Einstellung könnte man sich ohne weiteres als Gemälde an die Wand hängen, wahnsinnig schöne Cinemascope-Totalen wechseln sich ab mit kurzen, intensiven Close Ups. Die Natur in ihrer gesamten Schönheit und auch Hässlichkeit wird, wie auch in Malicks anderen Werken, perfekt eingefangen und spielt eine heimliche Hauptrolle.
Man sieht einen jungen Richard Gere in seiner wohl besten Rolle, Ennio Morricones wunderbarer Score ergänzt sich glänzend mit dem immer wiederkehrenden, wunderschönen "Aquarium" aus Camille Saint-Saens "Carnival of the Animals".
Terrence Malick, der nach DAYS OF HEAVEN mal eben 20 Jahre von der Bildfläche verschwand, um dann mit dem nicht minder genialen THE THIN RED LINE furios zurückzukommen, ist einer der Allergrößten seiner Zunft, ein Meister der Filmkunst und wohl das beste Beispiel für die Richtigkeit des Sprichwortes "Weniger ist mehr".
DAYS OF HEAVEN ist ein zeitloses Meisterwerk.

Text: Le Samourai

Freitag, 13. Mai 2011

The Devil and Daniel Johnston (2005, Dir: Jeff Feuerzeig)


Beeindruckender Film über den desillusionierten Singer/Songwriter Daniel Johnston, der sich im Laufe seiner Karriere von einem kreativen Multitalent zu einem mit Medikamenten vollgedröhnten Pflegefall entwickelte, und trotzdem noch heute ein großes Ansehen in der Folk-Szene genießt.
Perfekt recherchiert und dramaturgisch aufgebaut lässt der Film den Zuschauer das Leben Johnstons miterleben. Durch die vielen zusammengetragenen Sprachaufnahmen und Videos des Künstlers ist die Authentizität zu jeder Zeit präsent...sehr sehr sehenswert!

Text: andyewest88

The Lost Weekend (1945, Dir: Billy Wilder)


Großartig gespielter Einblick in eine kranke Seele, meisterhaft inszeniert von einem der Größten seiner Zunft.
Wohl immer noch das erschütterndste Werk zum Thema Alkoholismus und Selbstaufgabe, trotz des damals herrschenden strengen Hays Codes, ohne den das Ende wohl deutlich düsterer ausgefallen wäre...
Herausragend. Pflichtprogramm.

Text: Le Samourai

La maschera del demonio (1960, Dir: Mario Bava)


Mario Bavas großes Regiedebut hat trotz seines Alters bis heute nichts von seiner Magie verloren und gilt zurecht als einer der besten italienischen Horrorfilme. Wunderbare Bilder, perfekt gesetztes Licht und ein subtiler, äußerst stimmiger Score machen LA MASCHERA DEL DEMONIO zu einem immer noch sehenswerten, wichtigen Klassiker seines Genres.
Nur der deutsche Titel ("Die Stunde wenn Drakula kommt") ist mir ein absolutes Rätsel. Offensichtlich haben die Verantwortlichen damals den Film vor der Titelgebung nicht gesehen...

Text: Le Samourai

Montag, 9. Mai 2011

Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds (1989, Dir: Alex Proyas)


Alex Proyas, der später mit großen Produktionen wie "I Robot" Bekanntheit erlangen sollte, hat in den 80ern ein vergessenes Stück Filmgeschichte geschrieben; "Spirits of the Air, Gremlins of the Clouds", eine Endzeitvision, gedreht im Australischen Outback.
Die Handlung wird eingeleitet mit Bildern eines einsamen Wanderers, streifend durch eine postapokalyptische Wüste in der jegliche Technik und Zivilisation lange der Vergangenheit angehören. Gepaart mit einem einzigartigen Soundtrack von Peter Miller ist hier die großartigste Eröffnungsszene, die vielleicht atmosphärisch durchdringendsten Filmminuten entstanden, die Komposition ist perfekt, die Symbolik niederschmetternd, pure Magie.
Der Regisseur schafft etwas Außergewöhnliches, mit einem Ensemble aus drei hervorragenden Schauspielern und einem minimalen Budget kreiert er ein ernstzunehmendes Science-Fiction Setting, indem er sich vollständig auf das menschliche Drama konzentriert. Ein Wunder von einem Erstlingswerk.

Text: FredFuchs
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Meine erste Erfahrung mit dem australischen Kino - und was für eine.
Alex Proyas' sensationelles Spielfilmdebüt ist ein schwer in Worte zu fassender, postapokalyptisch-existenzieller Low-Budget-Thriller, der mit einem einzigen Setting (wunderbar surreal: australisches Outback), drei Laiendarstellern und einem immer wiederkehrenden mystischen Ambient-Klangteppich auskommt. Der zu dem Zeitpunkt 26-jährige (!!!) Proyas ("The Crow", "Dark City", "I, Robot") schuf einen vollkommen unbeachteten Meilenstein des Midnight-Kinos, der Fans von Jodorowsky, Lynch und Konsorten dringend ans Herz gelegt sei.
Eine erstaunliches und absolut einzigartiges Stück Filmgeschichte, wenn man Alter des Regisseurs, Thematik und das vorhandene Budget bedenkt.

Text: Le Samourai

Donnerstag, 5. Mai 2011

Reazione a catena (1971, Dir: Mario Bava)


Toller Giallo vom Altmeister Bava mit allen klassischen Zutaten. Nackte hübsche Frauen, Handschuhmörder, Messer, stylishe Kamera und Ausstattung, tolle Musik, Story mit mehr als einem Twist. Was REAZIONE A CATENA so besonders macht ist die Tatsache, dass er mit seinen stolzen 13 Morden als Mutter aller US-Slasherfilme gesehen werden kann und Generationen von Filmemachern nach ihm noch nachhaltig beeinflusst. Der deutsche Titel ("Im Blutrausch des Satans") macht - mal wieder - absolut keinen Sinn...
Text: Le Samourai

Mittwoch, 4. Mai 2011

Block Party (2005, Dir: Michel Gondry)


Dave Chappelle, Michel Gondry und Brooklyn gehen die perfekte Symbiose ein und heraus kommt die außergewöhnlichste, schönste, magischste, berührendste, lustigste, spannendste, einzigartigste Hip Hop Dokumentation aller Zeiten. Mit Liveauftritten von Kanye West, Mos Def, Talib Kweli, The Roots, Common, Erykah Badu, Jill Scott, Big Daddy Kane, Kool G Rap, Dead Prez, John Legend und der Live-Reunion der Fugees!
Besser.gehts.nicht.

Text: Le Samourai

The Naked Kiss (1964, Dir: Samuel Fuller)


Samuel Fullers tiefschwarze Interpretation der Läuterung einer Prostituierten. Die Inszenierung in kräftiger Noir Optik, gepaart mit B-Movie Attitüden wie offensichtlichen Jump Cuts und einer Musicalnummer die unpassend rührseliger nicht sein könnte macht "The Naked Kiss" zu einem über jeden Zweifel erhabenen Stilmix.
Text: FredFuchs

Capturing the Friedmans (2003, Dir: Andrew Jarecki)


Die 2003 für den Oscar nominierte Dokumentation setzt sich mit dem Fall Arnold Friedman auseinander: Der Schullehrer wurde im Jahr 1980 angeklagt, zusammen mit seinem Sohn Jesse mehrere Kinder in seinem Computer-Kurs sexuell missbraucht zu haben.
Der Film benötigt zwar einige Anlaufzeit, entpuppt sich dann aber als unglaublich gut recherchierte Doku über ein schreckliches Verbrechen und die damit verbundenen entstehenden Konflikte innerhalb der betroffenen Familie.
Herausragendes Merkmal dieser HBO-TV-Doku waren allerdings Schnitt und Dramaturgie. Die Filmemacher erlauben sich so gut wie keine Wertung, und bilden das Geschehene 1:1 so ab wie es geschah. Durch intelligent ausgewählte Interview-Partner, die sich je nach dem sowohl perfekt ergänzen, als auch kontrastieren, entsteht das verstörende Bild einer Familie, die ihren Zerfall selbst auf Video festhielt. Durch die dünne Beweislage und die sehr ausgereifte Alternation der Interviewpartner, ist es für den Zuschauer (beängstigender Weise) fast unmöglich sich nur auf eine Seite zu stellen.
HBO stellt eindrucksvoll unter Beweis, dass auch Fernsehproduktionen nicht immer lieblos dahin geschmiert sind. In diesem Film steckt viel viel Arbeit; sie hat sich gelohnt!

Text: andyewest88

La jetée (1962, Dir: Chris Marker)


Per Definition eigentlich kein "Film", ist LA JETÉE doch einer der faszinierendsten und bedeutendsten überhaupt. In unzähligen, genial montierten Standbildern (eine Ausnahme: Augenblinzeln) erzählt Chris Marker mithilfe eines ruhigen, eindringlichen Erzählers die absolut faszinierende und höchst philosophische Science Fiction Geschichte eines Mannes, der durch Zeitreise Zeuge seines eigenen Todes wird.
Vorlage für Gilliams ebenso fantastischen 12 MONKEYS und höchst sehenswert.

Text: Le Samourai

L'année dernière à Marienbad (1961, Dir: Alain Resnais)


Alain Resnais' rätselhafter, stilistisch außerordentlich schöner Film ist ein sehr schwer in Worte zu fassendes Mysterium. Einzigartig in seiner Erzählweise und Machart, hochpoetisch, ein audiovisuelles Gedicht. Jede Einstellung ist perfekt durchkomponiert, die schleichenden Kamerafahrten fügen sich perfekt ein in die hypnotisierende, traumartige Stimmung. Besser wurde die Schwierigkeit, subjektive Wirklichkeitseindrücke zu objektivieren, filmisch wohl nie dargestellt.
Text: Le Samourai

I nuovi barbari (1983, Dir: Enzo G. Castellari)


Enzo G. Castellari ("Cold Eyes of Fear", "The Inglorious Bastards") liefert mit "I Nuovi Barbari" einen absoluten Kracher des Italo-Postapokalypse-Kinos ab, denn was er hier mit einem Budget von einigen hundert Lira anstellt ist höchst unterhaltsam und verdient einen Platz im Herzen eines jeden Fans italienischer B-Movie Kost. 
Nach dem Untergang der Zivilisation werden die letzten menschlichen Siedlungen von der religiös fanatischen und gleichzeitig homosexuell angehauchten Templar Sekte und ihrem Anführer (Italo Urgestein George Eastman) in ihren umgebauten, mit Flammenwerfern und Enthauptungspropellern bestückten Golf carts in bester Kreuzzugmanier terrorisiert. Dagegen zur Wehr setzt sich Giancarlo Prete aka "Scorpio" in seinem umgebauten V8 Interceptor, inklusive überdimensionierter Kühlschläuche und Glaskuppel auf dem Dach, sowie einem Joystick zum Tuer öffnen, und seine Bande aus illustren Mitstreitern (darunter Fred Williamson mit einem schier unerschöpflichen Vorrat an Explosivpfeilen).
Dass die Story extrem campy ist, die Soundeffekte und Dialoge klingen, als wären sie durch eine Tür aufgenommen und die Kostüme höchstwahrscheinlich von einer osteuropäischen Wrestlingliga geliehen sind braucht in einer Genre-Nische wie dieser niemanden zu wundern. Letztendlich fügt sich unter der eifrigen, inszenatorischen Hand Castellaris und mithilfe des hervorragende 80s Electro Score von Ex-Goblin Claudio Simonetti alles wunderbar zusammen.

Text: FredFuchs

Possession (1981, Dir: Andrzej Zulawski)


Seit langem mal wieder ein Film, der auf Anhieb die 10.0 bekommen muss, denn alles drunter wäre schlicht eine Beleidigung.
Rein objektiv betrachtet ist Zulawskis kafkaesker Albtraum ein wirklich hervorragender Film, der durch phantastische Kameraarbeit, tolle Drehorte (Westberlin!), absolut grandiose schauspielerische Leistungen (Sam Neill kann tatsächlich schauspielern!), einen schönen - dem GODFATHER Theme sehr ähnelnden - Score und natürlich seine höchst einzigartige, hoch-philosophische Geschichte besticht. Rein subjektiv muss ich sagen, dass mich selten ein Film derart gefesselt, fasziniert und in seinen Bann gezogen hat wie dieser surreale, kompromisslose Kunst-Pur-Film.
Isabelle Adjani liefert die vielleicht beste (weibliche) schauspielerische Leistung aller Zeiten ab und schickt Schwanenprinzessin Natalie Portman, die ich eigentlich ja ganz gern sehe, zurück in den Schauspielkindergarten. Überhaupt sei jedem, der dem BLACK SWAN-Hype erlegen ist, dringend ans Herz gelegt, sich POSSESSION anzusehen und seine Lobeshymnen auf Aronofskys Kindergarten-Kafka vielleicht in Zukunft etwas leiser anzustimmen.
Ein Film über Trennung und Einheit, gedreht in einer geteilten Stadt. Eine düstere Liebeserklärung an das Kino. Für Freunde von Mitternachtskino à la Lynch, Cronenberg oder Argento sowieso Pflicht. Ein Ultra-Meisterwerk, ein instantaner Lieblingsfilm.

Text: Le Samourai

Detour (1945, Dir: Edgar G. Ulmer)


Unfassbar dreckiges Bild, unzählige Schlieren auf der Kopie. Der Ton knarzt, knackt, reißt ab. Auch kein Wunder, wenn man bedenkt, in welchem Tempo dieser Film produziert wurde: 6 Tage Drehzeit und ein winziges Budget von 30.000 Dollar. Aber wahrscheinlich machen gerade die schlechten Produktionsbedingungen den Film zu einem der besten + echtesten Film Noirs.
Text: Windom Earle

Biutiful (2010, Dir: Alejandro González Iñárritu)



"Yo no me moriré... no"
Uxbal (Javier Bardem) ist nicht bereit zu sterben. Nicht einfach so. Nicht, ohne die Dinge, die ihm etwas bedeuten, vorher ins Reine zu bringen. Als todgeweihter Kleinkrimineller, der sein Geld mit illegalen Immigranten verdient, ist er bemüht seinen Kindern ein guter Vater zu sein. Die Beziehung zu seiner suchtkranken Frau Marambra (Marciel Álvarez) ist gescheitert, wobei die Liebe zwischen den beiden immer wieder aufflackert. Einen mehr als ungewöhnlichen Nebenverdienst bringt Uxbal seine Gabe, die Gedanken Verstorbener wahrzunehmen, sobald er deren Hand hält. Eine furchtbare, von ihm verschuldete Tragödie, stellt sein Gewissen auf eine außergewöhnliche Probe.
Anstatt wie bei seinen bisherigen Filmen mehrere Handlungsstränge ineinander fließen zu lassen, fokussiert sich Iñárritu dieses mal ganz auf die Geschichte seines Protagonisten. Dem Sog, den seine zwischenmenschlichen Tragödien dabei immer wieder entfachen, tut dies sicherlich keinen Abbruch. Im Gegenteil. Während der ebenfalls bemerkenswerte Vorgängerfilm "Babel" seine weltumspannende Figurenkonstellation wörtlich nahm und der Grenze des Konstruierten dabei zumindest gefährlich nahe kam, begleitet man die Figuren in "Biutiful" in ihrem überschaubaren Alltag. Dies bedeutet jedoch nicht, dass sich der Film auf die sozialen Umstände in den Problembezirken Barcelonas reduzieren lässt. Mit der Thematik illegaler Einwanderer und deren Ausbeutung liefert Iñárritus Film erneut Ansichten einer globalisierten Welt, die über die Grenzen des gezeigten Milieus weit hinausgehen. Die Komplexität des Story vereint sich somit gewissemaßen in der Geschichte Uxbals; dazu bedarf es keines Wechsels der Szenerie. Eine wertungsfreie Abwechslung zum nicht minder beeindruckenden Stil von "Amores Perros", "21 Grams" und "Babel".
Die obligatorischen körnigen Handkamera-Bilder, gepaart mit dem "dreckigen" Schnitt von Iñárritus Werken, sorgen für eine Form der Authentizität, wie sie wohl nur wenige Filmemacher erreichen. Der hervorragende Cast tut sein Übriges. Zu Javier Bardems Können muss man eigentlich kein Wort mehr verlieren. Mit der standesgemäß oscarnominierten Rolle des Uxbal untermauert er seinen Status als einer der besten Schauspieler unserer Zeit. Was sich in seinem Gesicht an Nuancen abspielt, ist das Eintrittsgeld schon wert. Maricel Álvarez als Uxbals Frau und die ebenfalls tollen Performances der Kinder Ana (Hanaa Bouchaib) und Mateo (Guillermo Estrella) stehen dem in nichts nach.
Die Tatsache, dass "Biutiful" ein paar Längen aufweist ist sicherlich Jammern auf hohem Niveau. Die dramaturgischen Durchhänger, die ich dabei stellenweise verspürt habe, machen den Film für mich jedoch zu keinem ganz großen Meisterwerk.
Was trotzdem bleibt, ist ein ergreifendes Drama um väterliche Verantwortung, Moral und Schuld sowie die Frage, wie man diese Welt verlassen möchte. Ein Film, der mit Sicherheit nachwirkt.
Text: Gordon Cole

Synecdoche, New York (2008, Dir: Charlie Kaufman)


Charlie Kaufmans Regiedebut ist über die komplette Länge des Films durchtränkt von einer tiefen Trauer, die durch den grandiosen Philip Seymour Hoffman als Hauptfigur perfekt dargestellt wird. Nun ist Kaufman ja berühmt für seine etwas anderen, experimentellen Drehbücher (Beeing John Malkovich, Adaptation, Eternal Sunshine Of The Spotless Mind, etc), doch was er mit "Synecdoche, New York" abliefert setzt allem einen drauf.
Es ist nicht so, dass sich der Film nicht in 1-2 Sätzen zusammenfassen ließe, doch eine adäquate, ausführliche Wiedergabe des Gesehen ist auf Grund der vielen Zeit-, Ort- und oft nicht zusammenhängenden Handlungssprünge schlichtweg nicht möglich. Das mehrmalige Auftauchen der gleichen Charaktere, oft in ein und der selben Szene, lassen den zu Beginn so wirklich und echt, fast wie eine Dokumentation, wirkenden Film, zum Ende sehr unwirklich erscheinen. Diese Verschrobenheit des Drehbuchs in Kombination mit der herausragenden Leistung Hoffmans, machen "Synecdoche, New York" zu einem sehr gelungen Regiedebut, welches aber, wie wahrscheinlich gewollt, viele Fragen offen lässt.

Text: andyewest88

Amer (2009, Dir: Hélène Cattet, Bruno Forzani)



So, das war sie nun, die angepriesene Auferstehung des totgeglaubten Giallo, die Hommage, die Liebeserklärung an eines der geheimnisvollsten und wohl unterbewertetsten Genres der Filmgeschichte.
Man darf definitiv keinen klassischen Giallo der alten Schule, sprich stylish inszenierten "Whodunnit-Slasher" erwarten, sondern eher ein extrem suggestives, komplett handlungsfreies Schocker-Wirrwarr, welches durch gezieltes Einsetzen gängiger Giallo-Effekte und -Motive eben zu solchem werden will, sein Ziel aber eigentlich zu keiner Zeit erreicht.
Positiv hervorzuheben ist auf jeden Fall die unbändige Kreativität der beiden Regisseure, die extrem experimentierfreudig - gerade was Kamera, Schnitt, Licht und Sound betrifft - ein Fest für Augen und Ohren servieren. Extrem gesättigte, stark kolorierte Bilder wechseln sich ab mit überbelichteten, unscharfen, verzerrten oder kontrastreichen. Extreme Close Ups von Augen, Mund oder Haaren sind ein gängiges Stilmittel, ebenso sieht man den Einsatz von Stop Motion Technik oder Bewegungsunschärfe durch langsamere Belichtungszeiten, und und und...
All das kann aber irgendwie nicht darüber hinwegtäuschen, das nicht wirklich eine Geschichte erzählt wird, das man sich nicht wirklich im Italien der 70er-Jahre befindet und das eben kein Argento, Martino oder Bava hinter der Kamera stand. Da hilft auch der wirklich tolle Soundtrack nicht, der sich großzügig bei seinen Vorbildern bedient und zumindest teilweise authentisches Giallo-Feeling vermittelt.
Alles in allem ein ehrenwerter und sehenswerter Versuch einer Hommage, jedoch würde ich im Zweifelsfalle definitiv lieber wieder zu Bava, Martino, Argento und Co greifen...

Text: Le Samourai